Seit eineinhalb Jahren versuchen die Aktivisten der »Letzten Generation«, das Land mit Festkleben und Blockaden zu einer zwingenderen Klimapolitik zu treiben. Das Ergebnis kippt eher ins Gegenteil.
Jetzt könnte man sagen, dass die Aktionen trotzdem wirken, nur eben indirekt: nicht über unmittelbare Sympathie für die Klebeaktionen, sondern dadurch, dass im Volk durch die Radikalmaßnahmen sich unterbewusst das Gefühl einer dringenden Klimanotlage verstärkt. Hier ist der Befund nach eineinhalb Jahren Dauerprotest nur eher noch dramatischer. Zur Zeit, als die Aktivisten mit den ersten Autobahnblockaden anfingen, zweifelten nach Umfragen von Civey in Deutschland weniger als sechs Prozent der Menschen daran, dass es überhaupt einen Klimawandel gebe. Seither hat sich der Anteil auf fast 15 Prozent mehr als verdoppelt: just in der Zeit, in der die »Letzte Generation« genau das Gegenteil bewirken wollte.
Natürlich lässt sich aus den Zahlen nicht zwingend ableiten, dass es einen Zusammenhang gibt, die Aktionen nach hinten losgehen – und (nur) deshalb die Unterstützung nachlässt. Nur lassen die Zahlen beim besten Willen eben auch nicht den Schluss zu, dass es nach eineinhalb Jahren Dauerdröhnung ein schärferes Bewusstsein für die Notlage gibt. Erst recht nicht bei denen, die das noch nötig haben könnten. Vielleicht haben die Proteste sogar etwas noch Fataleres mitbefördert: Anfang 2022 hielten es immerhin noch fast 30 Prozent der Menschen für möglich, den Klimawandel zu stoppen. Jetzt sind es nur noch knapp 19 Prozent.
Was die Umfragen belegen, zeigen im Grunde auch die vergangenen politischen Wochen – und eine eindrucksvoll erdrückende Kampagne gegen das Heizungsgesetz der Regierung, bei der es ja nicht wirklich um die privaten Liaisons eines Staatssekretärs ging. Sondern darum, jene zu stoppen, die etwas eifriger dabei sind, das Klima retten zu wollen. Sonst hätte das Buhrufen gegen den »gefährlichsten Beamten des Landes« ja nicht just zu dem Zeitpunkt angefangen, als es darum ging, das Heizungsgesetz zu bremsen – und einiges bevor überhaupt bekannt wurde, dass der Staatssekretär tatsächlich hier und da gegen Regeln verstoßen hat.
Es mag in der Geschichte viele große Reformen gegeben haben, die durch Proteste beschleunigt worden sind. Etwa, sagen wir, die Abschaffung der Rassentrennung in den USA. Gut möglich nur, dass das diesmal so nicht geht – zumal Martin Luther King auch keine Autobahnen blockiert hat. Beim Kampf gegen den Klimawandel geht es darum, über einen langen Zeitraum das Tun und Lassen einer Menge Menschen so zu verändern, dass es das Klima schont – ob Autofahren oder eben Heizen. Und es spricht einiges dafür, dass das nur geht, wenn man die Leute mitzieht – und sie am Ende aus eigener Überzeugung mitmachen. Und man sie nicht nervt oder nötigt, mit Untergangsprophezeiungen konfrontiert oder ihnen sagt, dass jetzt alles furchtbar teuer und unangenehm wird. Und sie gefälligst alles umstellen müssen, was sie gewohnt sind zu machen. Was ohnehin Quatsch ist. So ein Elektroauto wird auf Dauer sehr angenehm günstig zu unterhalten sein. Und es fährt ansonsten genauso cool wie ein altes Auto.
Der andere Blick auf Boom und Krisen 