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Aufsteiger-Check: Sechs Fragen an den chinesischen Ökonom Ping Chen
Jede Woche stellen wir sechs Fragen an Ökonomen aus den großen Schwellenländern zur wirtschaftlichen Lage in ihrem Land. Heute: Ping Chen, renommierter Wirtschaftsprofessor am China Center for Economic Research der Universität Peking und Direktor des Academic Committee Center for New Political Economy in Schanghai.
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* How deep will be the slowdown of the Chinese economy in 2009?
GDP growth rate will dwindle to 7-8%. The Chinese economy will start to recover in late 2009 or 2010.
* Which factors are driving the slowdown in China?
(a) declining export demand
(b) increasing labor costs
(c) bad loans in private sector
* How should the government respond to the crisis?
(a) government investment in infrastructure, education, health, R&D
(b) ease bank loans to small and medium firms
(c) structural adjustment including close obsolete firms
(d) financial transfer to poor families
(e) institutional development including credit monitoring system
and private property registration system for anti-corruption
(f) reform tax system, including increased tax share of local governments
* How will the Chinese trade surplus develop during the coming years?
China’s trade surplus may decrease, but its competitiveness in industrial goods will increase.
* What will be the biggest challenges to the Chinese economy in the coming years?
Environmental constraints including water shortage, energy shortage and pollution by coal burning and cars using fuel.
* Where do you see the Chinese economy in 2020?
By 2020, China’s economy scale will at least be twice as big as today and become No.1 or No.2 in economic size. China’s industrial products will be highly competitive in almost all sectors including auto, electrics and aero industry. However, China’s per capita income will be relatively modest in the world, so that its labor cost will still be competitive. The Chinese market will be the most open and competitive in the world, so China’s economy will be a drive engine for Asian and Pacific region, possibly also for Africa and Latin America. Hopefully, its green economy will be sustainable.
Aufsteiger-Check: Sechs Fragen an den brasilianischen Ökonom Paulo Leme
Im Aufsteiger-Check befragen wir in den kommenden Wochen vier Ökonomen aus den großen Schwellenländern zur Krise in ihrer Wirtschaft. Heute: Der brasilianische Ökonom Paulo Leme, Lateinamerika-Chefvolkswirt von Goldman Sachs.
Aufsteiger-Check: Sechs Fragen an den indischen Ökonom B. L. Pandit
Im Aufsteiger-Check befragen wir in den kommenden Wochen vier Ökonomen aus den großen Schwellenländern zur Krise in ihrer Wirtschaft. In dieser Woche: B. L. Pandit, Professor für Makroökonomie und Direktor der renommierten Dehli School of Economics.
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1. How deep will be the slowdown of the Indian economy in 2009?
The slowdown would be in IT sector, some export oriented industries and in housing sector.
2. Which factors are driving the slowdown in India?
India’s increasing exposure to the world economy after economic reforms especially the foreign investments in the Indian stock markets is the primary reason.
3. When will the Indian economy start to recover?
Indian government has responded very quickly through monetary and fiscal policy initiatives. So the Indian economy has in fact started recovering. Given India’s high rate of domestic savings and large domestic economy with a large middle income group, recovery would be faster
4. How should the government respond to the crisis?
Since there are well known lags and limits to monetary policy, it is the fiscal policy which has to be deployed cautiously in future. Government’s expenditure policy must be carefully monitored so that the bubbles are not reflated and inflation does not get out of control.
5. What will be the biggest challenges to the Indian economy in the
coming years?
The big challenge is to push the reforms further.
6. Where do you see the Indian economy in 2020?
I expect Indian economy to be one of the economic giants in the world.
Aufsteiger-Check: Brasilien könnte mit einem blauen Auge davon kommen
Auch vor Südamerikas größter Volkswirtschaft macht die Krise nicht halt. Die Investitionen leiden unter dem Kapitalabfluss und die Industrieproduktion befindet sich auf Talfahrt. Und dennoch: Brasilien könnte im Gegensatz zu anderen Ländern das Schreckensjahr 2009 vergleichweise gut überstehen.
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Der globale Abschwung hinterlässt in Brasilien mittlerweile sichtbare Spuren. Die Auftragseingänge befinden sich im Sinkflug. Die Industrieproduktion ist im November um 3,5 Prozent zurückgegangen. Besonders die brasilianische Autoindustrie leidet.
Und doch ist es nicht so sehr der globale Nachfragerückgang über den Brasilien empfindlich getroffen wird. Denn Investitionen und Konsum haben gegenüber den Exporten an Bedeutung gewonnen. Am verwundbarsten ist Brasiliens derzeit vielmehr bei den Kapitalzuflüssen aus dem Ausland. Hier hat sich der Abzug von ausländischem Kapital zuletzt weiter fortgesetzt. Das hemmt die Investitionen, die immerhin 18,7 der Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen.
Laut einer Unternehmensumfrage des Industrieverbands CNI von Ende November 2008 fühlen sich 90 der befragten Firmen von der Krise betroffen. Rund 69 Prozent klagen über Schwierigkeiten bei der Kapitalbeschaffung.
Doch auch wenn die Investitionen und die Exporte stark leiden, die dynamische Binnennachfrage könnte Brasilien 2009 dennoch vor einer Bruchlandung bewahren. Das glauben jedenfalls einige Ökonomen.
Tatsächlich hat sich das Verbrauchervertrauen nach zweimonatiger Talfahrt im Dezember wieder erholt. Und der starke Jobaufbau der letzten Jahre könnte dafür sorgen, dass der Konsum weiter brummt am Zuckerhut. Somit erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass Brasiliens Wirtschaftsleistung auch 2009 noch um zwei bis drei Prozent wächst – das prognostizieren viele Volkswirte. Schließlich macht der Konsum rund 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.
An dieser Stelle analysieren wir jeden Dienstag die aktuelle Lage in einem der großen Schwellenländer: China, Russland, Indien und Brasilien. Nächste Woche: Sechs Fragen an den indischen Ökonom B.L. Pandit.
Aufsteiger-Check: Indien
Wegen der schlechten Haushaltspolitik der letzten Jahre hat die indische Regierung derzeit eigentlich wenig Spielraum, um durch fiskalpolitische Maßnahmen den Abschwung abzumildern. Und das ausgerechnet wenige Monate vor den Wahlen. Daher gibt Neu-Dehli einfach trotzdem Geld aus.
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A. Sakthivel, Präsident des Verbands indischer Exportfirmen nannte 2009 das Schlimmste Jahr der Geschichte. Bis März rechnet er mit einem Jobabbau bei den indischen Exporteuren von rund 10 Millionen Stellen. Indiens Exporte waren im November bereits den zweiten Monat in Folge rückläufig. Die Auftragslage ist aufgrund der eingebrochenen globalen Nachfrage sehr schlecht. Zugleich leidet die indische Wirtschaft unter einer drastischen Kreditverknappung.
Das ist eine denkbar schlechte Ausgangslage für die Wahlen in diesem Jahr. Der genaue Wahltermin steht noch nicht fest – er wird jedoch spätestens im Mai liegen. Somit ist die Regierung derzeit äußerst bemüht zu zeigen, dass sie der Krise nicht tatenlos gegenüber steht.
In der Folge hat die Regierung nun ein zweites Konjunkturprogramm angekündigt, nachdem bereits im vergangenen Monat ein erstes Paket mit einem Volumen von rund 4 Mrd. $ geschnürt wurde. Das neue Paket beinhaltet unter anderem staatliche Kapitalspritzen für nicht-staatliche Banken in Höhe von knapp 4 Mrd. $, plus rund 5 Mrd. $ für andere Finanzinstitutionen.
Darüber hinaus wurde erneut an der geldpolitischen Schraube gedreht – angesichts des engen Budgets derzeit das nahe liegendere Mittel. Unter anderem wurde der Leitzins um einen Prozentpunkt auf 5,5 Prozent gesenkt. Die Herabsetzung des Mindestreservesatzes um 50 Basispunkte soll zudem rund 4 Mrd. $ frisches Geld in das Bankensystem spülen. Aufgrund des Wahlkampfs darf man gespannt sein, was in den kommenden Monaten noch folgen wird.
An dieser Stelle analysieren wir jeden Dienstag die aktuelle Lage in einem der großen Schwellenländer: China, Russland, Indien und Brasilien. Nächste Woche: Brasilien.
Aufsteiger-Check: Jahresausblick 2009
Der Weltwirtschaft droht 2009 das wohl schwerste Jahr der Nachkriegsgeschichte. Wie hart wird es dabei die Schwellenländer treffen? Wir haben vier Chefvolkswirte befragt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf China und Russland – ihnen steht 2009 ein entscheidendes Jahr bevor.
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Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz Group:
Die Schwellenländer sind nicht der Ursprung der Wirtschaftskrise, gleichwohl zieht die hohe Abhängigkeit vom Weltmarkt die Konjunktur in den asiatischen Ländern, wie auch in China nach unten. Aber es gibt durchaus Aspekte, die einem Konjunkturabsturz in China entgegen wirken: Ein umfangreiches Konjunkturprogramm, die lokalen Banken sind kaum in den stark von Vermögensverlusten heimgesuchten Assetklassen engagiert, Fiskal- und Geldpolitik befinden sich auf stark expansivem Pfand, der private Verbrauch ist robust und der gesunkene Ölpreis dient ebenfalls als Konjunkturprogramm. Hingegen werden Schwellenländer wie Russland, die in den letzten Jahren vom Rohstoffboom profitierten, unter dem Verfall der Weltmarktpreise leiden, so dass wir in Russland für 2009 bestenfalls noch ein leicht positives Wachstum erwarten, während Chinas Wirtschaft immerhin noch um 5 Prozent expandieren dürfte.
Thomas Mayer, Europa-Chefökonom der Deutschen Bank:
Der Einbruch der Exporte in die Industrieländer wird China hart treffen und die Wachstumsrate möglicherweise halbieren (6 Prozent in 2009 nach 12 Prozent in 2007). Dagegen wird Russland unter dem Absturz der Ölpreise leiden. Das Wachstum dort wird 2009 wohl nur noch 1 Prozent betragen nachdem die Wirtschaft 2007 noch mit rund 8 Prozent gewachsen war.
Joachim Scheide, Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft Kiel:
Der Einbruch wird dort ähnlich heftig sein wie in den Industrieländern, allerdings ausgehend von höheren Wachstumsraten. China und Russland werden mit knapp 6 Prozent bzw. 1,5 Prozent die niedrigsten Raten seit Langem erleben.
Holger Schmieding, Europa-Chefvolkswirt der Bank of America:
Die Unterschiede zwischen den Schwellenländern werden 2009 wohl erheblich grösser sein als die Unterschiede zwischen den großen Industriestaaten. Einige Schwellenländer wie China, die über eine gesunde Wirtschaftsbasis verfügen und sich eine expansive Politik leisten können, werden vergleichsweise glimpflich davonkommen können, obwohl auch sie unter einer kräftigen Wachstumsschwäche leiden werden. Andere Schwellenländer werden eine tiefe Rezession durchmachen müssen. Für Russland, das sich mit seiner interventionistischen Wirtschaftspolitik selbst im Wege steht und völlig vom Ölpreis abhängt, könnte 2009 besonders schwierig werden.
An dieser Stelle analysieren wir jeden Dienstag die aktuelle Lage in einem der großen Schwellenländer: China, Russland, Indien und Brasilien. Nächste Woche: Indien.
Aufsteiger-Check: Jahresrückblick 2008
Es war ein wechselhaftes Jahr 2008 für die großen Schwellenländer. Am Ende des Jahres stand die Erkenntnis, dass auch sie inmitten von Finanzkrise und globalem Abschwung die Weltwirtschaft nicht retten können. Russland und China waren dabei wohl die größten Enttäuschungen, Brasiliens Wirtschaft hingegen überraschte positiv.
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*China
Zu Jahresanfang erklärte die chinesische Regierung den Kampf gegen Inflation und drohende Überhitzung der Wirtschaft zur Hauptpriorität für 2008. Zum Ende des Jahres hat sich die Lage drastisch verändert. Das Wachstum droht mittlerweile dramatisch einzubrechen. Von Inflation ist keine Rede mehr.
Anfang 2008 stiegen die Preise noch in rasantem Tempo: Im Februar erreichte der Preisdruck seine Jahresspitze mit 8,7 Prozent – getrieben von weltweit hohen Energie- und Lebensmittelpreisen. Ab August jedoch ließ die Inflation im Zuge der globalen Entwicklung und einer entschlossenen Geldpolitik der chinesischen Zentralbank rapide nach. Im November betrug die Teuerungsrate zuletzt nur noch 2,4 Prozent.
Ganz andere Sorgen plagten seit dem Herbst Chinas Wirtschaftslenker. Im Zuge der einbrechenden Nachfrage aus den USA, Europa und Japan, knickten Chinas Exporte ein. Das traf die chinesische Wirtschaft mit voller Wucht. Die Industrieproduktion verlangsamte sich deutlich. Im Juni lag sie noch 16 Prozent auf Jahressicht. Im November waren es nur noch 5,4 Prozent. Die Folge: Die meisten Experten rechnen nun nur noch mit einem Wachstum von knapp unter 10 Prozent in 2008 nach 11,9 Prozent im Vorjahr. 2009 droht ein Einbruch auf 5 Prozent.
*Russland
Kaum jemand hätte Anfang 2008 mit einem drastischen Absturz der russischen Wirtschaft gerechnet. Wie andernorts galt die Aufmerksamkeit lange Zeit besonders der Inflation, die in Russland von allen BRIC-Staaten am stärksten ausgeprägt war. Im Zeitraum Januar bis November stiegen die Preise um 12,6 Prozent. Und im Gegensatz zu China oder Brasilien war der Preisdruck auch im November mit 13,8 Prozent noch beträchtlich. Die Sorgen gelten zum Jahresende jedoch ganz anderen Bereichen.
Denn die Finanzkrise hinterließ in Russland deutlichere Spuren als in anderen Schwellenländer. Die durch den Georgienkrieg und die staatlichen Wirtschaftseingriffe ausgelöste Kapitalflucht wurde durch die Finanzkrise ab Oktober noch beschleunigt. Da die Expansion der russischen Wirtschaft in vergleichsweise hohem Maße fremdfinanziert war, traf die globale Kreditverknappung die russische Wirtschaft besonders empfindlich.
Erschwerend hinzu kam der einbrechende Ölpreis seit Jahresmitte. Russlands stark vom Öl abhängige Wirtschaft könnte daher am Jahresende bereits in die Rezession gerutscht sein. Nur das Ölpreishoch bis zur Jahresmitte dürfte dafür gesorgt haben, dass die Wirtschaft im Gesamtjahr noch um sechs bis sieben Prozent gewachsen ist – nach 8,1 Prozent im Vorjahr.
*Indien
Indiens Wachstum war in den letzten Jahren in starkem Maße abhängig vom Zufluss ausländischen Kapitals. Das wurde der aufstrebenden Volkswirtschaft 2008 infolge der Finanzkrise zum Verhängnis. Zwar war hier die meiste Zeit des Jahres – länger als beispielsweise in China – die Inflation das bestimmende Thema. Der Preisdruck erreichte im Oktober seinen bisherigen Jahreshöhepunkt von 10,4 Prozent. Doch man erkannte mit Zuspitzung der Finanzkrise recht schnell, dass ein Wachstumsknick droht.
Indiens Zentralbank senkte daher im Oktober, kurz nach der konzertierten Aktion der großen Zentralbanken in den Industrieländern, die Zinsen gleich zweimal in einer Woche und leitete so trotz weiter hoher Inflation früh die Wende in der Geldpolitik ein. Es half jedoch nichts. Der indische Kreditmarkt trocknete seit Oktober aus. Der indischen Wirtschaft drohte am Jahresende eine Kreditklemme. Das Wachstum dürfte im Gesamtjahr nur noch bei sechs bis sieben Prozent liegen nach 9,3 Prozent im Vorjahr.
*Brasilien
Die größte südamerikanische Wirtschaft trotzte 2008 lange Zeit erstaunlich vehement dem globalen Abschwung. Dank einer starken Binnenkonjunktur, robuster makroökonomischer Fundamentaldaten und einer vergleichsweise geringen Exportabhängigkeit konnten die globalen Verwerfungen der brasilianischen Wirtschaft wenig anhaben.
Einen wunden Punkt gab es allerdings doch. Ähnlich wie Indien hatte Brasilien zuletzt stark von ausländischen Kapitalzuflüssen profitiert. Das Versiegen dieser Quellen konnte nicht spurlos an der brasilianischen Wirtschaft vorübergehen. Auch hier drohte zum Jahresende eine Kreditklemme.
Auch die Binnenkonjunktur begann zuletzt zu stottern. Die Industrieproduktion schwächte sich bereits im Oktober ab und sank gegenüber Vormonat um 1,7 Prozent. Im Juni hatte sie noch um 3 Prozent zugelegt. Insgesamt dürfte Brasilien jedoch im Gegensatz zu den anderen BRIC-Ländern 2008 sein Wachstum relativ konstant halten, bei etwas über 5 Prozent wie im Vorjahr.
An dieser Stelle analysieren wir jeden Dienstag die aktuelle Lage in einem der großen Schwellenländer: China, Russland, Indien und Brasilien. Nächste Woche: Ein Jahresausblick für die großen Schwellenländer 2009.
Aufsteiger-Check: China
Aus aktuellem Anlass richtet sich der Blick heute erneut nach China: Dominique Strauss-Kahn, Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), sagte gestern, er sehe die Gefahr eines Wachstums von 5 Prozent in China in 2009. Auch die Royal Bank of Scotland hält ein solches Wachstumstempo zumindest für die erste Jahreshälfte für wahrscheinlich. Das wäre eine Katastrophe für die ostasiatische Volkswirtschaft.
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Viele andere Banken liegen mit ihren Prognosen zwar noch um ein bis zwei Prozent höher. Doch viele betonen die enormen Abwärtsrisiken ihrer Szenarien und halten fünf Prozent Wachstum in 2009 für gut möglich. Viele Ökonomen setzen ein solches Wachstumstempo in China mit einer Rezession gleich.
Tatsächlich zeichnen nach den weichen Stimmungsindikatoren, die sich seit längerem im Sinkflug befinden, nun auch harte Indikatoren ein düsteres Bild des chinesischen Wachstumseinbruchs. Die Industrieproduktion hat ihren Abwärtstrend weiter fortgesetzt. Im November legte sie nur noch um 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Katastrophal: Die Exporte im November. Hier gab es einen für China dramatischen Rückgang von minus 2,2 Prozent gegenüber Vorjahr. Die Importe sind um 17,9 Prozent eingebrochen.
Eine Abschwächung in der Größenordnung von fünf Prozent in 2009 würde erheblich Risiken für die chinesische Wirtschaft mitbringen. Sollte das Wachstum tatsächlich so stark einbrechen, könnte nach Ansicht einiger Experten zum Beispiel der von Überbewertung geprägte Immobilienmarkt kollabieren. Zudem fürchten Experten schon jetzt Deflation in China. Die Inflation nimmt in rasantem Tempo ab. Waren es im Oktober noch 4 Prozent, lag die Teuerungsrate im November nur noch bei 2,4 Prozent.
Experten rechnen nun fest mit weiteren Konjunkturmaßnahmen. Angesichts der neuerlichen Prognosen bleibt der Regierung nichts anderes übrig als mit allen Mitteln gegenzusteuern. Von der Preisseite her ist der Weg frei und genug Reserven hätte die Regierung ebenfalls. Man darf also gespannt sein, in welcher Größenordnung Peking in den kommenden Wochen Geld in die Hand nehmen wird, um das Schlimmste doch noch zu verhindern.
An dieser Stelle analysieren wir jeden Dienstag die aktuelle Lage in einem der großen Schwellenländer: China, Russland, Indien und Brasilien. Nächste Woche: Der Jahresrückblick 2008.
Aufsteiger-Check: Russland
Russland steckt tief in der Krise. Im dritten Quartal war das Wachstum so schwach wie seit 2005 nicht mehr. Und als erstes der G8-Länder wurde Russland von der Ratingagentur Standard & Poor’s heruntergestuft. Doch damit nicht genug. Nach Ansicht von Ökonomen steht Russland das Schlimmste erst noch bevor.
Zwischen Juni und September verlangsamte sich das Wachstum in Russland von 7,5 auf 6,2 Prozent – der schwächste Zuwachs seit drei Jahren. Und die Folgen der Zuspitzung der Finanzkrise sind dabei noch gar nicht voll eingerechnet. Besonders heftig fiel die Abkühlung im Bausektor aus – ein Bereich der bis vor kurzem noch einer der Boomzweige der russischen Wirtschaft war. Hier halbierte sich das Wachstum auf Jahressicht gegenüber dem Vorquartal von 18,7 Prozent auf 9,3 Prozent. Die Exporte schrumpften in allen drei Quartalen, womit der Handelsüberschuss im Oktober auf ein 13-Monatstief von 11,93 Mrd. $ sank.
Naheliegend war angesichts des deutlichen Einbruchs der russischen Wirtschaft die Entscheidung von Standard & Poor’s, das Land auf das Investment grade BBB herunter zu stufen. Die Hauptbegründung: Der starke Verfall des Ölpreises und die Abwertung des Rubel. Nach Ansicht der Experten dürfte der Schritt von Standard & Poor’s zwar keine direkten dramatischen Konsequenzen haben. Er unterstreicht jedoch die schwierige Situation, in der die russische Wirtschaft sich mittlerweile befindet.
Im Gegensatz zu China, Indien oder Brasilien kämpft Russland nicht nur mit den Folgen der Finanzkrise und dem globalen Nachfragerückgang, sondern auch mit den Folgen des Ölpreisverfalls. Da die russische Wirtschaft einseitig vom Ölsektor abhängt, ist sie hier nun besonders verwundbar. Zugleich trifft die globale Kreditkrise Russland härter als beispielsweise China, weil die russische Expansion in starkem Maße kreditfinanziert war.
Damit ergibt sich für Russland derzeit ein besonders düsterer Ausblick. Viele Experten rechnen mit einer deutlichen Verschlechterung der Situtation in Russland. 2009 droht Nullwachstum, wenn nicht gar Rezession, glauben viele Ökonomen. Denn gleich mehrere Risiken lauern in den kommenden Monaten.
Risiko Nummer eins: Der Konsum, bisher einer der Hauptmotoren des russischen Wachstums, droht auszufallen. Denn die Russen haben auf Pump konsumiert. Mit Versiegung der Kreditquellen dürfte Schluss sein mit dem Kaufrausch. Erstes Anzeichen: Die Einzelhandelsumsätze haben sich zuletzt bereits verlangsamt.
Risiko Nummer zwei: Der Ölpreis. Bleibt er im kommenden Jahr in der derzeitigen Region von 40 bis 50 $, dürfte das die ölabhängige russische Wirtschaft am Boden fesseln. Nicht nur für das Wachstum wäre ein so niedriger Ölpreis verheerend, sondern auch für einen bisherigen Pluspunkt Russlands: Die Staatsreserven. Seit August sind die Reserven bereits um 128 Mrd. $ geschrumpft. Standard & Poor’s glaubt, Russland könnte in den kommenden zwei Jahren gezwungen sein, sämtliche 200 Mrd. $ aus den beiden Staatsfonds zur Rekapitalisierung von Banken und zur Stopfung von Budgetdefiziten aufzuwenden. Zudem verschlechtert sich durch den niedrigen Ölpreis die Leistungsbilanz. 2009 könnte Russland erstmals seit 1997 wieder ein Defizit verbuchen. Die meisten Ökonomen gehen dabei von 2 bis 3 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt aus.
Risiko Nummer drei: Der Rubelkurs. Die russische Währung befindet sich derzeit im freien Fall. Das schürt Sorgen vor einer Währungskrise wie 1998 – wenngleich sich die Wirtschaft heute nach Einschätzung von Experten in einer viel besseren Ausgangsposition befindet. Fällt der Kurs weiter deutlich, könnte das aber zumindest zu einem erneuten Downgrading durch die Ratingagenturen führen. Das wäre dann deutlich kritischer als die aktuelle Herabstufung. Denn dann befände sich das Rating bereits gefährlich nah an einem Bereich, bei dem institutionelle Anleger gezwungen wären, Kapital abzuziehen.
Risiko Nummer vier: Die Spareinlagen. Fällt der Rubelkurs weiter und verschärft sich die Krise im Bankensektor, droht wie 1998 ein Ansturm der Anleger auf die Banken, um ihre Einlagen abzuziehen. Das würde die Krise in Russland dramatisch zuspitzen.
An dieser Stelle analysieren wir jeden Dienstag die aktuelle Lage in einem der großen Schwellenländer: China, Russland, Indien und Brasilien. Nächste Woche: Indien.
Aufsteiger-Check: China
Der weltweite Abschwung trifft den chinesischen Exportsektor mit aller Wucht. Die Auftragseingänge sind laut aktuellem Einkaufsmanager dramatisch eingebrochen. Damit wird deutlich, wie verwundbar die starke Ausfuhrabhängigkeit China derzeit macht.
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Der Rückgang bei den Exporten nimmt mittlerweile dramatische Züge an. Die Industrieproduktion sank im Oktober auf eine Zuwachsrate von 8,2 Prozent, nach 11,4 Prozent im Vormonat. Im Juni lag die Rate noch bei 16 Prozent. Der saisonbereinigte Einkaufsmanagerindex für China fiel von 44,6 Zählern im Oktober auf 38,8 Punkte im November – der stärkste Einbruch seit Aufzeichnungsbeginn. Besonders heftig war dabei das Ergebnis bei den Exportneuaufträgen: Dieser Teilindex fiel von 41,4 auf 29 Zähler.
Damit erhöht sich nach Ansicht einiger Ökonomen die Wahrscheinlichkeit, dass Chinas Wachstum bereits im vierten Quartal unter 8 Prozent liegen könnte. Diese Schwelle ist für die Regierung von besonderer Bedeutung. Bei Werten darunter, so argumentiert man in Peking, würden nicht mehr genug Jobs geschaffen, um die vom Land stammenden Neuankömmlinge in den Städten zu versorgen – dann erhöht sich die Gefahr sozialer Unruhen im Einparteienstaat. Daher ist man nun in Peking äußerst bemüht, den Abschwung mit allen Mitteln zu bremsen. Nachdem bereits Mitte November das gigantische, knapp 600 Mrd. $ schwere Konjunkturpaket aufgesetzt wurde, folgte vergangene Woche die stärkste Leitzinssenkung seit der Asienkrise 1997: Die Notenbanker senkten um 108 Basispunkte.
Während die starke Exportabhängigkeit das Wachstum nach unten reisst, wird deutlich, dass die chinesischen Konsumenten nach wie vor nicht bereit stehen, um einen Nachfragerückgang aus dem Ausland zu kompensieren. Trotz aller Bemühungen der Regierung in den letzten Jahren, ist es nicht gelungen einen Wandel in der Struktur der chinesischen Wirtschaft herbeizuführen. Im Gegenteil: Betrug der Anteil des Konsum am Wachstum im Jahr 2000 noch 46 Prozent, waren es 2007 nur noch 37 Prozent.
Segen und Fluch zugleich scheint dabei die geringe Verschuldung der chinesischen Haushalte zu sein. Würden Chinesen mehr auf Kredit konsumieren und damit insgesamt mehr ausgeben, könnte der Konsum nun wohl den Abschwung besser abmildern. Zugleich schirmt eben dieses Merkmal die chinesischen Haushalte jedoch derzeit besser als anderswo vor den direkten Folgen der globalen Finanzkrise ab und dürfte eine Konsumrezession wie andersorts verhindern.
An dieser Stelle analysieren wir jeden Dienstag die aktuelle Lage in einem der großen Schwellenländer: China, Indien, Russland und Brasilien. Hier erfahren Sie alles, was Sie über die Entwicklung der Wachstumsmärkte wissen müssen. Nächste Woche: Russland.
Aufsteiger-Check: Brasilien
Lange hat die brasilianische Wirtschaft dem globalen Abschwung getrotzt. Doch nun mehren sich auch dort die negativen Signale. Mit dem Ausbleiben ausländischen Kapitals steigt die Gefahr einer Kreditklemme.
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Brasiliens Situation ähnelt teilweise der Indiens. Der massive Zufluss an ausländischem Kapital, einst Wachstumstreiber, ist infolge der Kreditkrise versiegt. Die brasilianische Währung ist damit unter Druck geraten, die Inflationsbekämpfung dadurch erschwert. Während andernorts auf der Welt die Preise in den Keller fallen, ist die Inflation in Brasilien im Oktober weiter gestiegen. Die Teuerungsrate kletterte auf 6,4 Prozent, nach 6,3 und 6,2 Prozent im September beziehungsweise August.
Das bringt die Zentralbank in eine Zwickmühle. Angesichts des globalen Nachfragerückgangs scheint eine Wachstumsabschwächung auch in Brasilien unausweichlich. Während andere Länder geldpolitisch dank fallender Preise aus dem Vollen schöpfen, können die brasilianischen Notenbanker sich nicht einfach auf die Wachstumsrisiken konzentrieren.
Zugleich droht der Wirtschaft jedoch ein Engpass bei den Krediten. Die Wachstumsrate der Bankredite ist im Oktober auf 2,9 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken, nach 3,8 Prozent im September – eine direkte Folge der verschärften globalen Kreditbedingungen.
Vor allem die weichen Stimmungsindikatoren signalisieren jedoch, dass auch Brasilien sich nicht mehr gegen eine konjunkturelle Abschwächung stemmen kann. Das brasilianische Verbrauchervertrauen fiel im November auf das niedrigste Niveau seit drei Jahren. Zudem nahm der Zuwachs bei den Einzelhandelsumsätzen zuletzt ab – von 11,3 Prozent Wachstum im Juli auf 9,8 Prozent im Folgemonat und schließlich 9,4 Prozent im September. Der Konsumboom war bisher die große Stütze des brasilianischen Wachstums. Die erwartete Abschwächung wird nach Ansicht von Ökonomen allerdings moderat ausfallen.
An dieser Stelle analysieren wir jeden Dienstag die aktuelle Lage in einem der großen Schwellenländer: China, Russland, Indien und Brasilien. Nächste Woche: China
Aufsteiger-Check: Indien
Die globale Krise hat Indien mit voller Wucht erfasst. Der Zufluss des für Indien so wichtigen ausländischen Kapitals versiegt. Und die Regierung versucht in der Folge mit allen Mitteln eine Kreditklemme zu verhindern.
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Indiens Konjunktur bröckelt derzeit gleich an mehreren Ecken. Die Auslandsnachfrage schmilzt dahin und lässt die indischen Exporte wegbrechen. Die Binnennachfrage droht nachzulassen. Doch damit nicht genug: Die einst so dynamischen ausländischen Investitionen in Indien haben durch die Finanzkrise ihren Schwung verloren. Das alles kostet Wachstum. Nachdem das Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen drei Jahren stets um mehr als 9 Prozent zulegte, werden es am Ende des laufenden Fiskaljahres wohl nur noch 7,5 Prozent sein. Einige Ökonomen rechnen gar mit sechs Prozent. Das Potenzialwachstum Indiens liegt bei 7 Prozent.
Firmen aus so unterschiedlichen Branchen wie der Immobilienwirtschaft, der Automobilproduktion, der Stahl- oder Textilherstellung mussten zuletzt ihren Output stark herunterfahren. Die Regierung stemmte sich mit einer breiten Zahl an Maßnahmen dagegen. Erst heute kündigte Finanzminister Palaniappan Chidambaram an, einzelnen Branchen zu helfen. Dabei greift er vor allem auf Protektionismus zurück. Auf einige Stahlprodukte und Sojaöl wurden Importsteuern wiedereingeführt.
Der größte Brandherd liegt jedoch auf einem anderen Gebiet. Der indische Kreditmarkt ist ausgetrocknet, eine Kreditklemme droht. Die Regierung und Zentralbank versuchten gegenzusteuern: Die Zinsen wurden gesenkt und sogar die Regulierungen gegenüber Krediten aus dem Ausland und gegenüber ausländischen Besitzanteilen an indischen Unternehmen wurden gelockert. Letzteres ist ein deutlicher Hilferuf. Denn ausländisches Kapital trug in den letzten Jahren entscheidend zum indischen Wachstum bei. Im vergangenen Jahr lagen die Nettoportfolioinvestitionen bei knapp 33,2 Mrd. $. Mit dem Ausbleiben des ausländischen Kapitals infolge der Finanzkrise fehlt dem indischen Wachstum nun einer seiner entscheidenden Treiber. Die Flucht der ausländischen Investoren hat auch den Kurs der Rupie geschröpft. Gegenüber dem US-Dollar ist die indische Währung seit Jahresbeginn um fast 30 Prozent eingeknickt. Eine zusätzliche Belastung für die Unternehmen, die sich zuletzt immer stärker im Ausland finanziert haben: Die Kredite in Dollar werden nun teurer.
Hoffnung für Indiens Konjunktur kommt dagegen aus einer ungewohnten Ecke. Der diesjährige regenreiche Monsun verspricht eine gute Ernte. Die Landbevölkerung, die zwar größtenteils arm ist, aber über die Hälfte der indischen Bevölkerung ausmacht, könnte daher den Konsum etwas stützen.
An dieser Stelle analysieren wir jeden Dienstag die aktuelle Lage in einem der großen Schwellenländer: China, Russland, Indien und Brasilien. Nächste Woche: Brasilien.
Aufsteiger-Check: China
Nun also auch China. Die Regierung in Peking hat am Sonntag ein Programm von rund 460 Milliarden Euro zur Ankurbelung der Konjunktur angekündigt. Damit wird klar: Auch die viertgrößte Wirtschaft der Welt gerät infolge der globalen Krise ins Wackeln.
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Aus aktuellem Anlass richtet sich der Blick heute erneut nach China: Die chinesische Regierung plant in ihrem am Wochenende vorgestellten Konjunkturprogramm eine große Zahl von Ausgaben, speziell in zehn Schlüsselbereichen – darunter Investitionen in den Wohnungsbau, in den Umweltschutz, in die Förderung technischer Innovationen, in die Infrastruktur und das Transportwesen. Unklar bleibt, wie viele der Maßnahmen tatsächlich eigens für das Paket aus der Traufe gehoben wurden. Einige Projekte, speziell im Bereich Infrastruktur dürften wohl ohnehin angestanden haben – so zum Beispiel Wiederaufbauprojekte in der Erdbebenregion Sichuan. Anders als in den entwickelten Industrienationen kommt der Großteil des Geldes nicht direkt aus dem Regierungshaushalt. Drei Viertel des geplanten Pakets wird von Staatsbanken oder Staatsfirmen getragen, die ihre Aufträge selbst finanzieren.
Da es sich vor allem um Investitionsprojekte handelt, dürften viele westliche Industrieunternehmen davon profitieren – in der Folge stiegen am Montag die Börsenwerte von Firmen wie ABB, Alstom und Siemens. Mit dem Paket glaubt die Regierung in Peking daher auch ihren Teil zur globalen Krisenbewältigung beigesteuert zu haben. Das eigene Haus in Ordnung zu halten sei der effektivste Beitrag, den China zur Bewältigung der Finanzkrise leisten könne, sagte Qin Gang, Sprecher des Außenministeriums, heute in Peking. Premierminister Wen Jiabao bezeichnete das Konjunkturpaket als Chinas größten Beitrag für die Welt. An einer Beteiligung an einem globalen Rettungsfonds zeigt Peking dagegen wenig Interesse.
Das Paket macht aber auch eines deutlich: China steht nicht mehr so robust der globalen Krise gegenüber, wie es bisher schien. Verschiedene Stimmungs- und Leitindikatoren waren in den letzten beiden Monaten bereits eingebrochen, darunter die Verbraucher- und die Unternehmerstimmung. Zwar bewegen sie sich allesamt auf hohem Niveau, doch der rasante Abwärtstrend ist offensichtlich. Seit dem Wochenende haben nun verschiedene Banken ihre Prognosen für 2009 weiter nach unten geschraubt. UBS, Credit Suisse und Morgan Stanley revidierten allesamt ihre Prognosen auf 7,5 Prozent oder weniger. Gemessen daran, dass China im vergangenen Jahr noch mit 11,9 Prozent wuchs, wäre das eine dramatische Entwicklung.
Ob das gigantische Konjunkturpaket ausreicht, um den Abschwung abzumildern, bleibt nach Ansicht der meisten Volkswirte ungewiss – und das obwohl es gemessen am BIP knapp viermal so groß ist wie das derzeit diskutierte US-Konjunkturpaket. Die Wirksamkeit dürfte unter anderem stark vom Timing abhängen. Die Ausgaben des Programms sind bis zum Jahr 2010 angelegt. Kommen die Maßnahmen nicht zeitlich gebündelt genug, dürfte das die Wirkung wohl erheblich mindern.
An dieser Stelle analysieren wir jeden Dienstag die aktuelle Lage in einem der großen Schwellenländer: China, Indien, Russland und Brasilien. Hier erfahren Sie alles, was Sie über die Entwicklung der Wachstumsmärkte wissen müssen. Nächste Woche: Indien
Aufsteiger-Check: Russland
Innerhalb weniger Wochen hat sich das Boomland Russland in einen Krisenkandidaten verwandelt. Immer wieder setzten die beiden Moskauer Börsen zuletzt ihren Handel aus. Der RTS-Index hat seit Mai bereits über 70 Prozent an Wert verloren. Und die Krise ist mittlerweile auch in der Realwirtschaft angekommen.
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Zahlreiche russische Firmen haben Sparmaßnahmen angekündigt, Investitionsprojekte wurden verschoben, Stellen werden abgebaut. Viele Volkswirte sehen die russische Wirtschaft im kommenden Jahr nur noch um rund 5 Prozent wachsen – Korrekturen nach unten sind gut möglich.
Russlands Wirtschaft wird derzeit gleich von zwei Seiten empfindlich getroffen: Einerseits durch die starke Abhängigkeit von den Ölexporten – der niedrige Ölpreis und der globale Abschwung hinterlassen hier ihre Bremsspuren. Auf der anderen Seite schmerzt die hohe Kreditabhängigkeit der russischen Wirtschaft. Ein Großteil der Expansion war fremdfinanziert – das gilt für Unternehmen ebenso wie für den privaten Konsum. Mitte des Jahres war die russische Wirtschaft mit knapp 500 Milliarden Dollar bei ausländischen Banken verschuldet. Damit ist die Wirtschaft im Zuge der globalen Kreditverknappung besonders verwundbar. In der Folge leidet das Investitionsklima in Russland. Das trifft besonders die zuletzt pulsierende Baubranche hart und würgt den kreditfinanzierten Konsumboom ab.
Auch Russlands Banken hatten sich das Geld für Kredite in der Vergangenheit vor allem im Ausland geliehen. Dieser Hahn ist nun aber weitgehend abgedreht. Der Staat muss einspringen, was dank der enormen Devisenreserven im Vergleich zu anderen Ländern bisher kein Problem war. Die Maßnahmen zeigen erste Erfolge: Die Interbankenrate – der Zinssatz für Ausleihungen von Bank zu Bank – sank zuletzt wieder, nachdem sie vor zwei Wochen noch bei 20 Prozent lag. Zu Anfang des Jahres waren es noch 3,7 Prozent.
Fraglich ist jedoch wie lange die russische Regierung diesen Kurs halten kann. Rund 70 Milliarden Euro hat Moskau im vergangenen Monat den Banken zur Verfügung gestellt. Hinzu kommen 50 Milliarden $ für die staatliche Außenhandelsbank WEB. Russlands Reserven schmelzen durch die Stützung des Bankensystems und des Rubelkurses derzeit jeden Tag um geschätzt zwei Mrd. $. Bleibt es bei diesem Tempo, wären die russischen Reserven wohl bereits Mitte 2009 aufgebraucht. Denn zeitgleich nimmt der Zufluss an externem Geld durch das ausländische Misstrauen seit der Georgien-Krise und den niedrigen Ölpreis rapide ab. Ob dieses Negativszenario allerdings tatsächlich eintritt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Nach Ansicht von Volkswirten dürften die russischen Reserven ausreichen, um eine ähnlich tiefe Krise wie 1998 zu verhindern.
An dieser Stelle analysieren wir jeden Dienstag die aktuelle Lage in einem der großen Schwellenländer: China, Russland, Indien und Brasilien. Nächste Woche: Indien.
Aufsteiger-Check: China
Bisher hält sich China ausgesprochen wacker inmitten der globalen Finanzmarkturbulenzen. Dank eines stark regulierten Finanzmarkts zeigt sich China hier weniger verwundbar als andere Länder. Ganz ohne Blessuren dürfte jedoch auch China die Krise nicht überstehen. Durch die Exportabhängigkeit gegenüber den großen Industrieländern droht der Wirtschaft Ungemach.
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Nur wenige Chinesen mussten bei den Aktienstürzen der letzten Wochen einen drastischen Wertverfall ihres Vermögens mitansehen. Denn das chinesische Finanzsystem ist stark reguliert. Chinesen können ihr Geld nur entweder in Sparbüchern oder in Aktien anlegen – die vielfältigen Anlagemöglichkeiten westlicher Bürger blieben Chinesen bisher verwehrt. Hinzu kommt, dass nur ein kleiner Teil der chinesischen Börse offen für private Spekulationen sind. Das erweist sich nun als großer Pluspunkt.
Auch das konservative Kreditsystem Chinas macht sich in Zeiten der Finanzkrise bezahlt. In China muss man für einen Kredit bis zu 40 Prozent des Kaufpreises als Rücklagen stellen. Chinas Konsum ist daher vergleichweise wenig kreditgestützt und macht das Land gegenüber Kreditknappheit zumindest im Konsumbereich weniger verwundbar – im Gegensatz zu den USA oder Russland. Wie stark chinesische Banken von der Finanzkrise betroffen sind, ist allerdings noch offen.
Trotz allem bleibt auch China nicht von der globalen Krise verschont. Sie schwappt über einen anderen Kanal in das Land: über die Exporte. Mit 19,1 Prozent geht der weitaus größte Teil der chinesischen Ausfuhren in die USA. Die Rezession steht dort vor der Tür und das dürfte auch China früher oder später mit aller Härte treffen. In der Folge rechnen einige Volkswirte nur 2008 noch mit einem Wachstum von 8 bis 9 Prozent, nach 11,9 Prozent im vergangenen Jahr.
Bereits die Zahlen für das dritte Quartal geben einen Vorgeschmack: Das Bruttoinlandsprodukt ist nur noch um 9,0 Prozent gewachsen. Das lag wohl vor allem an einem verlangsamten Wachstum der Industrieproduktion, die knapp die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Der Output legte im September nur noch um 11,4 Prozent zu. Im zweiten Quartal waren es noch 16 Prozent. Schon jetzt müssen einige Fabriken schließen. Mit den trüben Exportaussichten Richtung USA und Europa dürfte sich die Drosselung der Industrieproduktion wohl weiter verschärfen.
Die Konsequenz: Die Regierung in Peking schwenkt nun radikal auf einen wachstumsfreundlichen Kurs um. Die Inflationsbekämpfung rückt endgültig in den Hintergrund – die Teuerung betrug im September ohnehin nur noch 4,6 Prozent mit abnehmender Tendenz. Die chinesische Regierung hat jüngst wachstumsfreundliche Maßnahmen im Sinne einer „aktiven makroökonomischen Politik“ angedeutet. Das gab es in China zuletzt in den 90er Jahren. Ein Anreizprogramm für die Immobilienwirtschaft im vierten Quartal wurde bereits angekündigt, ebenso Steuernachlässe für die Ausfuhren in Schlüsselindustrien. Hinzu kommen weitere Investitionen in die Infrastruktur. Viele Volkswirte erwarten zudem eine Lockerung der Kreditvergaberestriktionen und weitere Leitzinssenkungen. Eine Aufwertung des Renminbi ist dagegen angesichts der Schwierigkeiten chinesischer Exporteure in weite Ferne gerückt.
An dieser Stelle analysieren wir jeden Dienstag die aktuelle Lage in einem der großen Schwellenländer: China, Indien, Russland und Brasilien. Hier erfahren Sie alles, was Sie über die Entwicklung der Wachstumsmärkte wissen müssen. Nächste Woche: Russland.