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David Milleker – Wenn Notenbanken Staaten finanzieren

12. April 2013

Aktuell stößt man häufiger auf den Begriff der „fiskalpolitischen Dominanz“, etwa in Äußerungen des ehemaligen EZB-Direktoriumsmitglieds Jürgen Stark. Meist mit der Mahnung verbunden, dies habe noch immer zu (Hyper-)Inflation geführt.

Erläutert wird der Begriff allerdings kaum je, weswegen wir dies hier vorneweg kurz tun wollen. Dann soll am historischen Beispiel der USA gezeigt werden, dass Inflation zwar ein mögliches, aber keineswegs zwingendes Ergebnis der Interaktion von Geld- und Fiskalpolitik ist.

Zum Verständnis von Geld- und Fiskalpolitik (und ihrer Interaktion) ist zunächst einmal wichtig, dass es sich faktisch nicht um zwei voneinander getrennte Sphären handelt. Im Jahr 1981 haben Thomas Sargent und Neil Wallace dies anhand eines relativ einfachen Modells illustriert. Bestimmt die Zentralbank den (Real-)Zins, der Staat das (Primär-)defizit im Staatshaushalt und ist das reale Wachstum durch die institutionelle Struktur vorgegeben, so ergibt sich aus dem Modell ein fest vorgegebener Pfad für die Staatsschulden. Dieser Pfad ergibt sich in der reduzierten Modellform ausschließlich aus der Kombination von fiskalischem Primärsaldo und geldpolitisch festgelegtem Zins.

„Dominanz“ kommt dann ins Spiel, wenn die Verschuldung sich auf einem explosiven Aufwärtspfad bewegt. Dies ist dann der Fall, wenn der Zins bei einem gegebenen Primärdefizit des Staates zu hoch liegt. Auf eine stabile, zumindest nicht steigende Verschuldungsquote kommt man dann zurück, wenn wahlweise der Zins oder das Primärdefizit reduziert werden. Die Dominanzfrage stellt sich dahingehend, ob die Zentralbank eine Änderung der Fiskalpolitik oder umgekehrt der Staat eine Änderung der Geldpolitik erzwingt. Die zentralen Aussagen aus dem Papier von Sargent/Wallace sind erstens die wechselseitige Abhängigkeit von Fiskal- und Geldpolitik und zweitens die Aussage, dass die Zentralbank letztlich nicht den Systemzusammenbruch riskieren wird.

Von fiskalischer Dominanz und den damit verbundenen Inflationsgefahren wird gesprochen, wenn die Zentralbank zur Verhinderung eines Systemzusammenbruchs eine unter dem Aspekt der Preisstabilität zu lockere Geldpolitik fahren muss und sich der Staat auch nicht zu einer Defizitreduktion zwingen lässt.

Wie eigentlich fast immer in ökonomischen Dingen sind die realisierten Ergebnisse wie Wachstum und Inflation in hohem Maße situationsabhängig. In einem Boom sollte makroökonomische Stabilisierungspolitik anders ausgerichtet sein als in einer Depression. Ähnliches gilt für das Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik. In normalen Zeiten ist der von Sargent und Wallace gegebene Zielkonflikt vorherrschend. In einer Depression dagegen würde auch die Lehrbuchempfehlung lauten, dass eine Kooperation sinnvoll ist. Im Zweifelsfall aus dem einfachen Grund, dass nach Erreichen der Nullzinsgrenze durch die Zentralbank die Fiskalpolitik der einzig handlungsfähige Akteur in einer Gesamtwirtschaft ist.

Die US-Wirtschaftsgeschichte bietet hier ein sehr gutes Beispiel. Ende 1934 wurde Marriner S. Eccles Chairman der US-Notenbank. Eccles‘ Ideenwelt war der von Keynes sehr ähnlich, bevor letzterer überhaupt seine „Allgemeine Theorie“ veröffentlicht hatte. Insbesondere sah er den Bedarf dafür, dass der Staat sich antizyklisch zum Privatsektor verhalten sollte. Eccles stand unter den Rahmenbedingungen der Depression auch für eine engere Kooperation zwischen Zentralbank und Fiskalpolitik.

Gegen Ende seiner Amtszeit als Chairman im Jahr 1948 war die Federal Reserve dann allerdings zu einer Art Behörde für das US-Schuldenmanagement geworden. Faktisch garantierte die Notenbank dem Finanzministerium die Abnahme von Schuldpapieren zu einem festen Zinssatz, indem sie sämtliche Angebotsüberschüsse vom Markt wegkaufte. Nun allerdings nicht mehr vor dem Hintergrund einer Depression, sondern in einem Nachkriegsboom mit steigendem Inflationsdruck.

Eccles war in seiner wirtschaftspolitischen Grundeinschätzung symmetrisch: So wie er Mitte der Dreißigerjahre für eine Koordination von Geld- und Fiskalpolitik eingetreten war, sah er diese nach Ende des Zweiten Weltkriegs als kontraproduktiv an. Dies brachte ihn zunehmend in Opposition zur Regierung Truman seit 1945 und insbesondere ihrem Finanzminister Snyder. Obwohl 1948 als Chairman abgelöst (aber weiter bis 1951 Mitglied des Offenmarktausschusses), war Eccles eine der treibenden Kräfte hinter einem formellen „Scheidungsvertrag“ zwischen Federal Reserve und Finanzministerium. In diesem legte man 1951 fest, die Rolle der Fed bei der Staatsfinanzierung zu minimieren und entließ so die Zentralbank wieder in die Unabhängigkeit.

Die US-Erfahrung zeigt, dass neben einem antagonistischen Verhältnis zwischen Zentralbank und Finanzpolitik auch ein kooperatives Handeln unter bestimmten Rahmenbedingungen möglich ist. Es zeigt aber auch, wie konfliktreich die Auflösung einer solchen Kooperation bei Wiedereintritt normaler Rahmenbedingungen ist.

 

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