Das Ziel scheint klar. Es braucht bald ganz viele neue Heizungen. Weil die alten ziemlich maßgeblich dazu beitragen, dass uns zunehmend fatale Klimaprobleme drohen. Die Frage ist, wann und wie das gehen soll. Und während die Regierung in Berlin nach Dauergepolter gerade an der Grundidee feilt, Gasheizungen bald einfach nicht mehr einbauen zu lassen, scheint eine Spezies neuen Auftrieb zu spüren: all jene Ökonomen und Politiker, die so eine Heizungswende eher über steigende Preise vollziehen wollen – nämlich einen höheren CO₂-Preis auf alles, was eben CO₂ ausstößt, wie zum Beispiel Gasheizungen.
Die elegantere Lösung? Ohne Zwang? Und ohne Gängelung? Etwas, das weniger »Heiz-Hammer« wäre, als es das Gebäudegesetz der Regierung nach Feinexpertise der »Bild«-Zeitung und anderer Heizköpfe angeblich bewirkt? Fraglich. Die Erfahrung der jüngsten Energiekrisen-Monate lässt erahnen, wie viele Tücken so eine Verteuerungs-Klimapolitik über besagten CO₂-Preis im realen Leben hätte. Was sich, wenn überhaupt, nur durch eine Menge staatlicher Regulierung vermeiden ließe – und nur wirken würde, wenn die Leute auch da gegängelt würden. Heiz-Hammer, nur anders.
Die Idee dahinter: In den nächsten Jahren sollte ein steigender CO₂-Preis das Heizen und Autofahren mit fossilen Energieträgern stärker verteuern, als dies ohnehin bisher geplant ist. Die Hoffnung: dadurch stiegen die Leute aus sachtem Kalkül auf Alternativen um, idealerweise schon in Voraussicht und lange bevor die Preise dann gestiegen sind. Ganz ohne Verbote. Toll. Für Ärmere gibt es Klimageld zum Ausgleich.
Fraglich ist schon, ob die Leute überhaupt so rational rechnen. Nach Umfragen konnten selbst mitten in der Krise gut die Hälfte der Menschen im Land nicht mal sagen, was sie ungefähr als Tarif für Gas bezahlen – geschweige denn, wie viel sie verbrauchen. Solche Bewusstseinslücken sind im Ökonomie-Ideal-Modell nicht vorgesehen.
Würde ein noch so klar festgelegter und steigender CO₂-Preis daran viel ändern? Eher nicht. Schon weil die Leute ja im realen Leben nicht nur den CO₂-Aufschlag zahlen – und sich der Rest des abgerechneten Preises alles andere als stetig und vorhersehbar entwickelt. So wie im Extrem eben in den vergangenen Monaten.
Das tückische Auf und Ab der Preise
Da haben Spekulanten die Gaspreise in der Panik um Mangellagen zeitweise auf fast 350 Euro je Megawattstunde hochschnellen lassen – was die Kosten fürs Heizen mit Gas plötzlich astronomisch und jede Alternative günstiger erscheinen ließ; und schon als Klimaerfolg gefeiert wurde. Was allerdings (zum Glück) nicht lange so blieb. Nicht nur, weil Regierungen darauf zum einen mit Entlastungen wie Tankrabatten und einem Verschieben geplanter CO₂-Preisanstiege reagierten, was verständlich ist. Sondern auch weil – tiefere Tücke – solche Preisanstiege ja (gewollt) zu geringerem Verbrauch führen und damit den Gegeneffekt gleich in sich tragen: dass geringere Nachfrage genauso logisch wieder zu fallenden Preisen führt – und der klimapolitisch kalkulierte Anreiz zu sparen abrupt wieder schwindet.
Mittlerweile ist der Gaspreis im europäischen Handel auf nur noch ein Zehntel des Spitzenpreises vom vergangenen Sommer kollabiert. Was nicht nur am Sparen, sondern auch an Spekulation und warmem Winter lag, aber eben die schöne Logik des CO₂-Abbaus über hohe Preise pervertiert. Die Preise sind so gefallen, dass die Gaspreisbremse inzwischen vierlerorts nichts mehr bremsen muss.
Ähnliches gilt für Öl und Benzin. Erst schnellten die Preise für den Liter weit über zwei Euro – dann kam der Fall. Was soll der Mensch da kalkulieren?
All das ist weit weg von der hübschen Modellvorstellung, dass die Menschen mit stetig und verlässlich steigenden Preisen rechnen können – um dann sachte zu kalkulieren, wann und über welchen Zeitraum sich, sagen wir, eine Wärmepumpe rechnen würde. Schon das ein mühsames Unterfangen.
Zumal die CO₂-Preise ohnehin ziemlich stark steigen müssten, um zu wirken: je nach Empfehlung locker von 30 auf demnächst 200 Euro die Tonne. Kauf und Betrieb von Gas- und Ölheizungen müssen in dem Modell ja irgendwann so teuer sein, dass die noch recht teuren Wärmepumpen im Vergleich günstig erscheinen. Ähnliches gilt für die Verteuerung von Benzin – bis es lohnt, auf ein ebenfalls noch recht teures Elektroauto umzusteigen.
Nächste Real-Life-Tücke: den Heizungs-Umstieg über eine stete Verteuerung der Betriebskosten alter Anlagen zu forcieren. Das hieße, dass Besitzer über Jahre erstmal malträtiert werden – bis sie aufgeben und eine teure neue Heizung installieren. Also das passiert, was gerade für so viel Aufregung gesorgt hat. Weil sie eben nicht so klar vorausschauend planen können. Und die Anlagen dann auch nicht billiger sind. Was ist daran so viel empathischer, als den Einbau von Gasheizungen mit vielen Ausnahmen und schrittweise per Stichtag zu stoppen? Auch wenn sich das im Detail besser regeln lässt als im ersten Gesetzentwurf. Immerhin spricht ja einiges dafür, dass ein schnellerer Umbau auch einen größeren Schub an Investitionen in neue Anlagen und damit schneller sinkende Preise mit sich brächte.
Gängelung, nur anders eben. Es sei denn, die Preise steigen de facto gar nicht so schnell, was mancher insgeheim via Marktgesäusel zu erhoffen scheint. Nur hilft das dann auch dem Klima nichts. Potenziell ist das noch teurer.
Als trügerisch erweist sich selbst die empathisch wirkende Idee, höhere CO₂-Kosten via Klimageld auszugleichen – also regelmäßig Geld zu verschicken. Tücke: Das relativiert die CO₂-Wirkung, schon weil das verschickte Ausgleichsgeld im Zweifel wieder vertankt wird. Und es geht womöglich an der Lebenswelt jener vorbei, denen das Geld am Ende des Monats fehlt. Wenn die Benzinpreise hochschnellen, hilft es wenig, alle paar Monate mal ein paar Almosen geschickt zu kriegen, die man dann bitte schön in schwäbischer Haushaltsplanung auf die Monate umlegt. Zumal die meisten Leute keine Almosen wollen. Das muss auch für nicht so achtsam veranlagte Nicht-Akademiker funktionieren.
Dass die Sache mit den marktbasierten CO₂-Preisen ganz so einfach nicht funktioniert, räumen pragmatischere Freunde der Bepreisung längst ein. Weshalb etwa der renommierte Klimaökonom Ottmar Edenhofer fordert, dass die Regierung streng festgelegt steigende Preise als Ziel beschließt, dazu im Emissionshandel aber einen Mindestpreis gegen zu befürchtende Herdentriebe der Händler nach unten; plus einen amtlichen CO₂-Höchstpreis gegen exzessive Preisspiralen. Und natürlich besagtes Klimageld vom Staat. Dazu brauche es natürlich trotzdem auch Gebote und Verbote.
Merkste. Das hat am Ende, wenn es wirklich funktionieren soll, nicht mehr sonderlich viel von dem Märchen einer galant-sanften Anpassung ohne Zwang. Da geht es um ganz viele staatliche Festlegungen. Und, sagen wir, Gängelung. Nur eben über den Druck immer höherer Preise und Kosten. Und über entsprechend negative Signale, die im Zweifel politisch wie ökonomisch sehr viel komplizierter und schwieriger sind – weil so eine Kostenerpressung natürlich auch für Schlagzeilen in besagter Boulevard-Zeitung führen und von Populisten ausgeschlachtet werden wird. Sobald der Benzinpreis dann, sagen wir, mal bei 2,50 oder 3 Euro ist. Und den einen oder anderen der Heizkosten-Hammer trifft. Kann sogar sein, dass die FDP sich dann nicht mehr so genau daran erinnert, das mal irgendwie gefordert zu haben.
Dann lieber Verbote? Nicht wirklich. Die richtig elegante Lösung liegt womöglich woanders: nicht nur in gewiss steigenden Preisen für Schädliches und gelegentlichen Vorgaben, sondern vor allem in viel mehr positiven Anreizen, klimaschonende Dinge zu kaufen und zu tun. Belohnung statt Strafe. Über subventionierte Elektroautos oder staatliche Hilfen zum Kauf von Wärmepumpen. So wie es US-Präsident Joe Biden gerade praktiziert. Und andere längst vorgemacht haben. Das würde ökonomisch ähnlich wirken, nur nicht mit so vielen Tücken im realen Leben – und nicht so depressiv wie über den Kosten-Hammer.