Startseite > Gästeblock > Fabian Fritzsche – Die Erfolge der Sparpolitik

Fabian Fritzsche – Die Erfolge der Sparpolitik

23. Oktober 2013

Als Mitte August das BIP-Wachstum der Eurozone im zweiten Quartal mit 0,3% gegenüber dem Vorquartal bekanntgegeben wurde und damit offiziell die zweite Rezession innerhalb von fünf Jahren zu Ende ging, sahen sich die Befürworter einer rigorosen Sparpolitik – allen voran Schäuble und van Dijsselboem – bestätigt. Nun kann bei einem Miniwachstum von 0,3% im Quartal sicherlich gefragt werden, ob dies überhaupt das Ende der Wirtschaftskrise in Europa ist. Da aber auch diverse Frühindikatoren zumindest ein verhaltenes Wachstum nahelegen, ist nun ein günstiger Zeitpunkt gekommen, um die bisherigen Erfolge der Sparpolitik zu untersuchen.

Angesichts der auch zuletzt weiter gestiegenen Staatsschulden gibt es durchaus Zweifel, ob denn in der europäischen Peripherie überhaupt eine Sparpolitik betrieben wurde. Diese Sichtweise greift aber zu kurz, denn steigende oder fallende Schuldenquoten sind Ergebnis der Politik und kein Indikator für expansive oder restriktive Fiskalpolitik. Entscheidend ist vielmehr die Entwicklung der realen, also inflationsbereinigten, Staatsausgaben ausgehend vom vorherigen Höchststand (meist in 2009). Grob gesagt kann also von Sparpolitik gesprochen werden, wenn die realen Staatsausgaben ausgehend vom vorherigen Hoch gefallen sind und von tendenziell expansiver Politik, wenn die realen Ausgaben gestiegen sind. Eine deutlich expansive Politik hat demnach kein Staat der Eurozone betrieben, allenfalls für Luxemburg könnte man ansatzweise so etwas behaupten, da die Staatsausgaben dort seit dem letzten Hoch zumindest um fast 6% gestiegen sind. Eine klare Austeritätspolitik wurde hingegen in Irland, Zypern, Portugal, Spanien, Slowenien und Italien verfolgt, wo wie realen Staatsausgaben zuletzt zwischen knapp 5% und gut 16% unter dem bisherigen Hoch lagen und genau diese Länder – allen voran das vermeintliche Musterland Irland – weisen die größten BIP-Rückgänge auf. Für Griechenland liegen von Eurostat leider keine vollständigen Daten vor, höchstwahrscheinlich sähen diese jedoch ähnlich aus. Doch auch ohne Griechenland ist der Zusammenhang zwischen Entwicklung der Staatsausgaben und BIP-Wachstum als auch zwischen Entwicklung der Staatsausgaben und Veränderung der Staatsschuldenquote offensichtlich (in rot die Eurozone, blau Eurostaaten ex. Griechenland):

Veränderung reales BIP ggü. Veränderung der realen Staatsausgaben

Fritzsch Grafik 1

Quelle: Eurostat

Veränderung Schuldenquote ggü. Veränderung der realen Staatsausgaben

Fritzsch Grafik 2

Quelle: Eurostat

In den Volkswirtschaften, in denen die Staatsausgaben gekürzt wurden, gab die Wirtschaftsleistung deutlich nach und die Schuldenquote stieg stark an, während Länder mit zumindest stabilen Staatsausgaben eine deutlich bessere Wirtschaftsentwicklung und vergleichsweise moderate Anstiege der Schuldenquote vorweisen können. Die Sparpolitik war also aus makroökonomischer Sicht ein kompletter Fehlschlag.

Nun könnte noch eingewendet werden, dass das Ziel der Sparpolitik nicht etwa war, das BIP-Wachstum zu beleben, sondern die Solvenz des Staates zu erhalten. Das mag zwar die Begründung gewesen sein, doch schon die Tatsache, dass die Schuldenquoten in den „sparsamsten“ Staaten am stärksten gestiegen sind, sollte Zweifel wecken, ob Austeritätspolitik wirklich hilfreich ist, um die Solvenz zu stärken. Zudem kann die Staatsschuldenkrise nicht Auslöser der Sparpolitik gewesen sein, da die Zinsen auf Staatsanleihen erst an Herbst 2010 kräftig stiegen, also zu einem Zeitpunkt, als die entsprechenden Staaten bereits begonnen hatten, ihre Ausgaben zu kürzen. Möglicherweise ist die Kausalität also umgekehrt: Die vermeintlich alternativlose Sparpolitik hat zu schrumpfender Wirtschaftsleistung und steigenden Schuldenquoten geführt, was die Schulddienstfähigkeit der Staaten verschlechtert hat, wodurch die Investoren wiederum das Vertrauen in diese Länder verloren haben. Die Sparpolitik muss daher in jeder Hinsicht als gescheitert betrachtet werden.

  1. Wilfried Müller
    26. Oktober 2013 um 10:11

    Wenn jemand behauptet, er habe 100 000Euro gespart, weil er sich ein teures Auto einer Nobelmarke nicht gekauft habe, dann finden das alle absurd; meint Sparen doch, dass man nicht alle seine Einnahmen verausgabt, sondern etwas zurücklegt, eben spart. Dabei bedient sich dieser Mensch derselben „Logik“ wie die Haushälter in Bund und Ländern, wenn sie von ihren Sparhaushalten schwadronieren. Denn bei diesen Sparhaushalten wird ja nicht gespart, sondern es werden Ausgaben gestrichen (auf Ausgaben verzichtet) und damit Aufgaben, die zuvor noch notwendig erschienen. Und bei Schuldenbremse und Fiskalpakt wendet man dieselbe „Logik“ an, auch da sollen nur Ausgaben gestrichen werden. Zweckmäßigerweise hat man bei der Abfassung dieser Gesetze ganz im Sinne neoliberalen Aberglaubens, dass der Staat finanziell ausgehungert und verkleinert werden muss, darauf verzichtet, die Grundsätze der Buchhaltung zu beachten, dass es da nämlich immer zwei per def. gleiche Seiten geben muss; man hat schlicht die Einnahmenseite vergessen (Verzicht auf Steuersenkungen, Gebot von Steuererhöhungen mit umverteilender Wirkung von Oben nach Unten), um wenigstens formal den Anforderungen der Buchhaltung zu genügen. Wenn nun diese Gesetze bei nachlassender Konjunktur zum Einsatz kommen, dann wirken sie prozyklisch, krisenverschärfend. Wie jeder Ökonom wissen sollte, bekommt der Multiplikator staatlicher Ausgaben (1,3 -1,7) bei Streichung von Ausgaben ein negatives Vorzeichen; die Wirkung solcher Ausgabenstreichung im Zusammenhang mit den Wirken von automatischen Stabilisatoren ist absehbar: die Höhe der Staatsschulden steigt, wie nicht nur in der EU zu beobachten ist.
    Allerdings ist meine Hoffnung bescheiden, dass demnächst einmal die Schlagzeile in allen Printmedien lauten wird: Staatsschulden steigen wegen Schuldenbremse.
    Eine Änderung des Blickwinkels könnte das Bild von der Wirtschaftswelt sicher ändern, wenn man z. B. mal die Feststellung von Modern Monetary Theory diskutieren würde: ein souveräner Staat mit eigener Währung hat nie Schwierigkeiten bei der Finanzierung seiner Ausgaben und Aufgaben, sofern er sich nicht in fremder Währung verschuldet. Aber über die staatliche Theorie des Geldes auch nur nachzudenken, ist in einer marktkonformen Demokratie ja tabuisiert.
    PS: Private debt is a debt, but government debt is financial wealth to the private sector (R. Wray, einer der Pioniere bei MMT)

  2. 25. Oktober 2013 um 10:23

    Klingt nett, die Schlussfolgerung ist aber völlig abwegig. Es wird nahegelegt dass die Austeritätspolitik eigentlich die Wirtschaft „abwürgt“.

    Das ist zunächst erst einmal nicht falsch und eine sinnvolle Beobachtung. Aber ist diese Politik deshalb auch gescheitert und weniger alternativlos?

    Ausgangspunkt: Die Staatsausgaben von 2009 (Höchststand) werden von Herrn Fritsche als Basis genommen, aber in keiner Weise hinterfragt. Hier liegt aber der Hase im Pfeffer. Egal, wie man es dreht und wendet, die Staatsausgaben waren schon damals zu hoch (oder die Einnahmen zu niedrig), das kann man so pauschal sagen, sonst wäre Europa auch nicht in diese missliche Lage gekommen. Es handelt sich also um eine „Staatsausgabenblase“.

    Kurz abstahiert:

    a) Wir wissen, wir sind in der falschen Richtung unterwegs (Steigende Staatsschulden können nicht als Ziel der Politik betrachtet werden, von Verschwörungsszenarien abgesehen).
    b) Wir haben eine Wirtschaft, die zum großen Teil am „Staatstropf“ hängt, direkt oder indirekt, die also auf Staatsausgaben angewiesen ist. Das ist ein Strukturproblem.
    c) da wir aber die Anpassungsschocks fürchten, drehen wir den „Staatstropf“ noch weiter auf.

    Das scheint mir Volldampf in die falsche Richtung zu sein – auf den Eisberg zu.

    Natürlich haben wir noch eine Möglichkeit, die wir in den Verträgen zwar ausgeschlossen haben, aber die fleißig genutzt wird. Wir steigern einfach die Staatschulden der anderen EU-Länder oder der Gemeinschaft. Wir können damit die Anpassungen für eine bestimmte Zeit vermeiden, aber wir lange? Vor allem zu welchen Kosten?

    Es muss auch gesagt werden, dass hier nur ein relativ kurzer Zeitraum betrachtet wird. Klar ist, dass bei Kürzung der Staatsausgaben die Wirtschaftsleistung zunächst zurückgehen muss, das ist bei gewohnt hohen Staatsausgaben zu erwarten. Die Strukturen in der Wirtschaft müssen sich erst einmal auf die neue Situation anpassen.

    Längerfristig sollte – das hat sich z.B. auch bei der Agenda 2010 gezeigt – von der ja auch Frau Merkel im Sommer 2013 sagte, dass sie ihre Früchte erntet (ich denke sie hat in dieser Hinsicht recht) – diese Anpassung durchaus positive Entwicklungseffekte bringen, allerdings nicht ohne Schocks.

  3. Traumschau
    24. Oktober 2013 um 09:40

    Hallo Herr Fritzsche! Sie sind mir vielleicht ein „Schwarzmaler“. Hat unsere Politikdarstellerelite nicht immer gesagt „Europa ist auf einem guten Weg“? Und die lügen uns doch nicht an, oder?
    Spaß beiseite: Es ist ja schon im Vorfeld der Kürzungsorgien von zahlreichen Ökonomen vorher gesagt worden, was passieren wird. Heiner Flassbeck z.B. hat in seinen Vorträgen immer wieder und unermüdlich darauf hingewiesen (s. YT), dass diese Brüning´sche Politik in ein Desaster führt und die wahren Ursachen nicht angeht: Die Handelsungleichgewichte in der Eurozone bzw. das Verlassen des Inflationsziels – insbesondere durch Deutschland (Lohnpolitik, etc.). Ich frage mich aber immer wieder, welches Interesse Politik und auch die Medien haben, die Menschen anzulügen. In jeder 2. Talkshow sitzt ein M. Hüther und betet diesen längst empirisch widerlegten Unsinn runter. Viele wortführenden Ökonomen belügen uns ebenfalls! Warum? Was ist denn das eigentliche Ziel dieser Bemühungen? Will man die Eurozone in Wahrheit sprengen? So langsam ist das die für mich einzig schlüssige Erklärung, weil man wirklich alles dafür tut. Vielleicht könnten Sie einmal dazu etwas schreiben? Ansonsten vielen Dank für diesen guten Artikel!!
    LG Traumschau

  1. No trackbacks yet.
Kommentare sind geschlossen.