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Die Kolumne – Törichte Krisenmanager

8. Juni 2012

Die Kanzlerin hat alles drangesetzt, die Lasten der Euro-Rettung für ihr Volk niedrig zu halten – und ist in Gefahr, gerade damit am Ende das Gegenteil zu erreichen. Wahre Tragik.

„Von Torheit kann man erst dort sprechen, wo uneinsichtig an einer Politik festgehalten wird, die nachweislich unwirksam ist oder direkt gegen die eigenen Ziele arbeitet. Es erübrigt sich fast, festzustellen, dass wir diesem Problem heutzutage auf Schritt und Tritt begegnen.“ Barbara Tuchman*

Euro-Drama, nächster Akt. An den Finanzmärkten wird nicht mehr nur über Staatspleiten spekuliert, sondern über den Bestand der Währung – und die Frage ist, ob selbst Deutschland jetzt mitgerissen wird.

Nur die Schuld der Länder, die nach zwei Jahren Austerität und Depression verzweifeln? Oder doch der deutschen Kanzlerin, deren gut gemeinter Versuch, die Kosten für hiesige Steuerzahler klein zu halten, die Krise erst eskalieren ließ, wie Kritiker sagen? Dann droht sie jetzt das Gegenteil zu erreichen: dass es für die Deutschen am Ende umso teurer wird – ein Phänomen, das die Historikerin Barbara Tuchman mal als Torheit der Regierenden beschrieb: dem eigenen Volk wider besseres Wissen und etliche Warnungen Schaden zuzufügen, so wie einst die US-Regierung im Vietnamkrieg. Dann wäre es höchste Zeit, dem Volk Bescheid zu sagen.

Wer Recht hat, hängt von der Krisendeutung ab. Nach Angela Merkels Lesart geht es im Grunde darum, dass Einzelne unsolide gewirtschaftet haben – und aufräumen müssen. Prinzip schwäbische Hausfrau. Wenn das stimmt, war es richtig, 
>  mit Hilfen erst mal zu warten, bis die Griechen 2010 ihr Austeritätsprogramm vorgezeigt haben;
>  jede Hilfe unter scharfe Bedingungen zu stellen und bei jedem Zweifel mit Abzug zu drohen;
> sich gegen die Stützung von Staatsanleihen kriselnder Staaten durch die Notenbank zu wehren;
> bei abweichenden Mehrheiten in der Zentralbank heroisch abzutreten wie die Herren Weber und Stark;
> die Liquiditätsnothilfen für Banken als vorübergehend zu deklarieren, wie es der Bundesbankchef tat;
> und Eurobonds und die Bankenunion als Vergemeinschaftung von Schulden gleich abzukanzeln.

Kurz: Schuld sind immer die anderen. Was aber, wenn das die falsche Deutung ist? Wenn zwar Einzelne Fehler gemacht haben, das nur die Eskalation nicht erklärt? Wenn die Krise Teil einer Finanzkrise ist, einer Post-Bubble-Ökonomie, für die typisch ist, dass Staaten irgendwann vom Bankenretten gestresst sind, während Anleger nach Jahren Euphorie monatlich neu Panik kriegen – und bibbernd Geld abziehen, auch wenn der einzige Grund ist, dass andere das auch tun?

Dann hilft es wenig, Menschen in Krisenländern zu knebeln. Dann ist Aufgabe der Krisenmanager, die Angstspirale zu stoppen, bevor Leute in Panik zur Bank rennen, der Euro kollabiert. In so einer Krise braucht es eine letzte Instanz, die das System erst mal sichert und Anlegern garantiert, dass sie ihr Geld kriegen. So wie das im Herbst 2008 funktioniert hat, als Angela Merkel und Peer Steinbrück fürs eigene Volk alle Ersparnisse garantierten, weil es Anzeichen gab, dass die Deutschen ihr Geld von der Bank holten. Ankündigungseffekt. Da darf es keinen Zweifel geben.

Wenn das stimmt, hat Angela Merkels taktisch-innenpolitisch motiviertes Zögern 2010 mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Panikwelle beigetragen. Dann wirkt in Wahrheit atemberaubend kontraproduktiv,
> jede Hilfe so kategorisch unter Auflagen zu stellen – weil das dann für Anleger keine Garantie ist und eher die Panik vor der Pleite nährt;
> Brandmauern immer möglichst knapp zu bemessen – weil das nicht beruhigend wirkt, wenn die Flammen höher zu schlagen drohen;
> wenn Notenbanker polternd zurücktreten – weil das die Glaubwürdigkeit der Währungshüter als Retter in letzter Instanz geschwächt hat; wer vertraut schon der Feuerwehr, bei der im Brandfall die Chefs weglaufen;
> wenn der Bundesbankchef gleich nach Bankennotrettung Anfang 2012 fordert, die Hilfen wieder abzubauen – seitdem ist die Krise wieder eskaliert;
> wenn deutsche Politiker nach griechischen Wahlen mal eben meinen, das Land solle halt austreten – das derart fahrlässig einfach mal auszusprechen trägt in so einer Krise dazu bei, sich selbst zu erfüllen.

Das deutsche Bestreben, die Kosten für uns niedrig zu halten, ist in etwa so, als würde jemand beim Feuerwehreinsatz immer das Wasser knapp halten, weil es sonst so teuer wird. Dann wird es am Ende teuer, weil das Ganze mangels Löschwasser zum Großbrand ausartet. Wie die Euro-Krise. Da kann man nicht immer nur die Brandverursacher schimpfen.

Für die Deutschen war die Krise bislang nicht teuer. Es ging nur um Kredite, die auch noch verzinst werden. Das droht jetzt zu kippen, woran wir allerdings mit schuld sind. Der jüngste Absturz deutscher Konjunkturindikatoren ist ein Alarmsignal.

Es ist höchste Zeit, die Brandmauer noch höher zu ziehen, die EZB endlich als letzte Instanz mit allen Mittel wirken zu lassen und notfalls Eurobonds einzuführen, wie Finanzkrisenspezialist Paul De Grauwe von der London School of Economics fordert. Anders als es die Kritiker vor sich hin zetern, könnte das die Rechnung für Deutschlands Steuerzahler begrenzen statt erhöhen. Weil es die Krise stoppt – und nicht nur so tut, wie Frau Merkel. Wenn die ersten Bilder von Leuten um die Welt gehen, die vor geschlossenen Banken Schlange stehen, drohe ansonsten der Kollaps, sagt Peter Bofinger aus dem deutschen Sachverständigenrat. Und der würde viel teurer.

Prinzip schwäbische Hausfrau

Barbara Tuchman hat eine Menge Fälle von Troja über den Wiederbeginn des totalen U-Boot-Kriegs 1917 bis zum japanischen Angriff auf Pearl Harbor und das US-Drama in Vietnam analysiert. Jedes Mal habe „Torheit oder Starrsinn“ dazu geführt, dass die Politik der Regierung „dem Eigeninteresse ihrer Bürger zuwiderläuft“ und am Ende kontraproduktiv war – obwohl das Problem bekannt war und es „eine praktikable Handlungsalternative gab“. Möglicher Grund: Die Macht, Befehle zu erteilen, führe halt häufig dazu, „das Denken einzustellen“. Da „schwindet die Verantwortlichkeit der Macht in dem Maße, wie ihr Handlungsspielraum wächst.“

Wer weiß: Vielleicht trifft das ja auch auf jene Kanzlerin zu, die seit zweieinhalb Jahren gut gemeint das Euro-Krisenmanagement bestimmt – und mit ihrer zweifelhaften Grunddiagnose von den schludernden anderen weder in der eigenen Koalition noch bei Leitmedien oder in der EU auf viel Widerstand stößt. Und sich selbst damit schadet. Modernes Beispiel für Torheit von Regierenden?

Noch ist es nicht zu spät, den Kurs zu korrigieren, auch wenn so etwas nach Tuchmans Befund selten ist.

„Wenn der Verstand eines Politikers offen genug ist, wahrzunehmen, dass eine Politik dem Eigeninteresse schadet, wenn er genügend Selbstvertrauen besitzt, eine Wahrnehmung ernst zu nehmen, und wenn er weise genug ist, diese Politik zu ändern, dann ist der höchste Gipfel der Regierungskunst erreicht.“ Bitte.

*Die Torheit der Regierenden – Von Troja bis Vietnam, Barbara Tuchman, 1984

Email: fricke.thomas@guj.de

  1. alter bekannter
    11. Juni 2012 um 09:55

    Rebecca Costa hat ein Buch geschrieben: Kollaps oder Evolution. Nicht alles darin ist wirklich gut. Wohl aber die These von der kongitiven Schwelle: Wenn man diese bei komplexen Systemen überschreitet, wird es kritisch, weil die Komplexität die Möglichkeit des Verstehens und damit des Kontrollierens und konstruktiven Einwirkens überschritten hat. Diese Schwelle ist nicht nur beim Euro, sondern bei der Finanzwelt allgemein erfolgreich genommen worden. „Torheit oder Starrsinn“ sind dann häufige Reaktionen. Aber letztlich kann man dies dann auch keiner Einzelperson – also auch keiner Kanzlerin – zum Vorwurf machen.

    • Tim Miller
      11. Juni 2012 um 14:39

      „… die Komplexität [hat] die Möglichkeit des Verstehens und damit des Kontrollierens und konstruktiven Einwirkens überschritten…“

      Dem kann ich nur zustimmen!

      Theoretisch liese sich diesem Problem möglicherweise durch Modelle & Simulationen zu Leibe rücken.

      Praktisch ist fraglich, ob dazu zumindest einigermaßen brauchbare Modelle vorhanden sind. Der „vollkommene Markt“ und „Homo oeconomicus“ gehören jedenfalls nich dazu.

      Es scheint, das es da noch einiges zu tun gibt für die Wirtschaftswissenschaften.

  2. 10. Juni 2012 um 16:40

    Sehr geehrter Herr Fricke,
    ich kann mit einigen Überlegungen durchaus übereinstimmen. Mein besonderes Kompliment: Sie nehmen eine „Historikerin“ als Kronzeugin für möglicherweise falsches Krisenmanagement, dass wiederum möglicherweise auch eine historisch bedingte Ursache hat: die deutsche Angst vor der Inflation. Ich meine natürlich nicht, dass diese Angst ursächlich für die Krise ist, aber vielleicht doch mitbestimmend für die bisherige „Wahl der Mittel“ zur Krisenbekämpfung. Schon allein deshalb eine sehr interessante Argumentation.
    Sehr freundliche Grüße
    Wolfgang Gierls

  3. Frank D.
    10. Juni 2012 um 12:02

    Die Beantwortung der Frage nach „richtig“ oder „falsch“ ist zu allererst abhängig vom beabsichtigten zeitlichen Wirkhorizont. Wenn es um eine kurzfristige Entlastung geht, mag die Ansicht des Autors ein sinnhaftes Vorgehen skizzieren. Auf lange Sicht lösen sich die Probleme von heute jedoch nur über nachhaltiges und konkurrenzfähiges Wirtschaften. Daran führt kein Weg vorbei.
    Das Beispiel der Feuerwehr klingt zwar gut, fùhrt aber in die Irre. Durch die Bereitstellung von Krediten und Garantien werden die Schwächen der Wirtschaft- und Sozialstruktur in den PIIGS-Staaten nicht beseitigt. Von „Löscharbeiten“ kann also garkeine Rede sein.

    • 10. Juni 2012 um 21:32

      Vielen Dank. Ich würde an dem Bild schon festhalten. Natürlich haben diese Länder strukturelle Probleme, es liegt nur die Vermutung ja nahe, dass sich die Krise als Finanzkrise derzeit jenseits dieser Probleme dramatisch verselbständigt hat. Und da erscheint es mir schon sinnvoll, erst einmal dieses Feuer zu löschen. Um beim Bild zu bleiben: wenn das nicht gelingt, wird es einen gewaltigen Finanzgroßbrand geben – dann brauchen die Krisenländer auch gar keine großen Reformen mehr anfangen.

  4. Dr. Jochen Ruby
    10. Juni 2012 um 11:15

    Wenn die Bundeskanzlerin Empfehlungen des Chefökonomen Fricke folgen würde, dann wäre dies schlicht und ergreifend ein Verstoss gegen alle im Grundgesetz verbrieften Rechte des Souveräns (dieser ist, was ohnehin regelmäßig in Vergessenheit gerät, das deutsche Staatsvolk). Wir würden mit der Übernahme dieser, in ihrer mittel- bis langfristigen Konsequenz bzw. ihrem Risikopotenzial unabsehbaren Verpfllichtungen, nicht nur ein nicht zu verantwortendes Risiko für das Vermögen der deutschen Bürger eingehen, sondern auch das Königsrecht des Parlamentes, über die Haushaltsmittel gestaltende Politik zu machen, endgültig beseitigen. Was Herr Fricke hier von Frau Dr. Merkel fordert ist also schlicht und ergreifend Landesverrat. Es ist offensichtlich, dass das Experiment Euro gescheitert ist. Auch wollen die europäischen Bürger überhaupt keinen politische Union oder die Vereinigten Staaten von Europa. Diejenigen Staatsvölker, die über derartige Integrationsschritte in der Vergangenheit entscheiden durften, haben dazu schließlich häufig genug eine klare Absage erteilt. Und das ist auch gut so. Frieden und Freiheit in Europa kann man auch anders gewährleisten, und zwar indem man eben ein auf echter Subsidiarität aufgebautes Gegenmodell zu den Superstaaten USA, China etc. schafft. Das entspricht nicht nur mehr der großartigen und vielfältigen Kultur des Kontinents, sondern auch der Idee einer echten bürgernahen Demokratie. Das dieses Modell besser funktioniert beweisen doch auch Staaten wie die Schweiz oder die skandinavischen Länder. Dies führt zur Identifikation mit den getroffenen Entscheidungen und Übernahme individueller Verantwortung. Dass die Rückabwicklung des Euro große Verwerfungen mit sich bringen wird, ist mir klar. Wenn aber eine vom Volk offenbar losgelöste Elite weiter in die Richtung der politischen Union marschiert, braucht man kein Untergangsprophet sein, um noch größeres Leid für die Menschen und schwere Unruhen vorauszusagen.
    Soll mir im Übrigen bitte auch niemand damit kommen, ohne den Euro könnte Europa dann nicht mehr mit den großen Mächten mitreden. Dieser hat uns ja erst in die Abhängigkeit von Staatsfonds gebracht. Um Europa Durchsetzungskraft zu verschaffen, wäre vermutlich eine gemeinsame Armee und ein paar gemeinsam finanzierte Flugzeugträger wirksamer und wichtiger.

    • 10. Juni 2012 um 21:41

      Herr Ruby, die Kanzlerin hat einen Eid abgelegt, Schaden vom Volk abzuwenden. Das tut sie nicht, wenn sie trotz offenbaren Scheiterns eine Politik macht, die uns schadet. Ich fürchte, dass meine Argumente bei Ihnen gar nicht angekommen sind, sonst würden Sie nicht so einen Unsinn (Landesverrat) schreiben. Wenn Merkel früher reagiert hätte, hätte es die „Verbindlichkeiten“ überhaupt nicht gegeben. Es geht ja gerade darum, was die beste Politik für uns ist. Und ob das die von Ihnen suggerierte ist, erscheint mir nicht wirklich gesichert. Ich würde Ihre mangelnde Überzeugungskraft deshalb aber nicht gleich als Landesverrat bezeichnen. Oder was meinen Sie?

  5. Josus
    9. Juni 2012 um 16:31

    Diese sog. Eurokrise wäre überhaupt nicht entstanden, wenn man gleich bei den ersten Anzeichen ein Vergemeinschaftung der Haftung für die aufzunehmenden Verbindlichkeiten vereinbart hätte; so wie das in anderen Ländern (USA, GB, Japan oder auch innerhalb der BRD) der Fall ist. Noch ist es nicht zu spät dies zu tun; aber die Zeit dafür wird immer knapper.

  6. 9. Juni 2012 um 15:47

    Reblogged this on BEFELDT Steuerblog.

  7. Politikverdruss
    9. Juni 2012 um 12:35

    „…notfalls Eurobonds einzuführen.“

    Sehr geehrter Herr Fricke, könnten Sie uns bitte darstellen, wie die „Einführung“ von Eurobonds mit dem Grundgesetz Deutschlands vereinbar sein soll. Das BVerfG hat die „Rote Linie“ verdeutlicht und klargestellt, dass Eurobonds auf der Grundlage des Grundgesetzes nicht möglich sind.

    Wie kommen Sie als Chefökonom einer angesehenen Zeitung dazu, verfassungswidrige Gemeinschaftsanleihen vorzuschlagen? Könnten Sie uns das bitte mal erklären!

    • 10. Juni 2012 um 21:47

      Sehr geehrter Herr Politikverdruss, das Urteil des BVerfG ist nicht so eindeutig, wie Sie das darstellen. Hier gilt ja dasselbe wie bei anderen Rettungsmaßnahmen: wenn solche mehr oder weniger eindeutig dazu angetan sind, unsere Währungs- und Wirtschaftsordnung vor dramatischen Zerwürfnissen zu schützen, ist das für das Verfassungsgericht das höhere Gut. Ob das im Fall von Eurobonds der Fall ist oder nicht, ist eine andere Frage – deshalb habe ich das auch so formuliert. Mit besten Grüßen Thomas Fricke

  8. Peter Noack
    9. Juni 2012 um 12:26

    Wenn der Chefökonom die Politik verstehen will! In der Alltagsmeinung mag die derzeitige Politik wohl töricht erscheinen. Die entscheidende Frage ist doch cui bono. Soll, ja darf deutsche Politik sich um die Arbeitslosen und Rentnerin den GIIPS Staaten kümmern?
    Warum retten die Politiker immer wieder die Banken? Ganz einfach, weil die Milliardäre und Multimillionäre dort ihr Kapital angelegt haben. Diese würden folglich dutzende Milliarden verlieren, wenn systemische Banken die hohen Einlagen nicht mehr sichern können. Damit ist der Adressat der gegenwärtigen Politik in der Eurozone bestimmt. Gleichzeitig sollte klar sein, dass die Wünsche nach einer anderen Politik weder von den Politikern erfüllt werden will noch von der Wirtschaft erwartet wird. Wir haben die Politik, die wir gewählt haben und die wir erwarten dürfen. Alles andere sind Illusionen oder Visionen, die in einer Anstalt behandelt werden sollten.
    Dem Anschein nach könnte man meinen, dass Prof. Dr. Fricke eine Garantie für alle Giftpapiere durch die Politik einfordert, um die Märkte endlich zu beruhigen. Gibt es dafür Beispiele, wo das gelungen ist? USA oder Großbritannien! Wenn Banken und Anleger die Risiken ihrer Spekulationen wieder selbst verantworten sollen, dann darf man die Märkte nicht beruhigen. Das leistet Politik in Europa jedoch vorbildlich! Kritik daran ist also nicht nötig.
    Unter dem Siegel der Verschwiegenheit: Die Deutschen halten ihr Pulver trocken, denn nach einer Banken- oder Staatspleite kriegt man für das selbe Kapital viel mehr Vermögen. siehe Schlecker; Diese Politik der deutschen Regierung entspricht völlig den Interessen der Begünstigten. Der Weg zum Ziel ist nicht ohne Risiken. Je höher die Risiken desto höher die Rendite. Es stimmt also alles bei der Politik. Wer das nicht versteht hat die Marktwirtschaft nicht verstanden.

  9. M. Schiebe
    9. Juni 2012 um 11:13

    Wie man bei Herrn Ackermann in der NZ nachlesen kann, muss man immer in Alternativen denken. Was also wäre die Alternative für Frau Merkel gewesen? Die Probleme der Club-Med Staaten weiter mit billigem Geld zu lösen, etwa durch Vergemeinschaftung der Schulden? Das hätte sie ihren Landsleuten nicht zumuten können und hätte die wahren Probleme der betroffenen Staaten nicht der notwendigen – wenn auch schmerzhaften – Therapie zugänglich gemacht, die erst duch die von den Banken ausgelösten Kriese offenbar wurde. Deficit spending ist zwar bei vorhandenen funktionsfähigen (!) Wirtschaftsstrukturen eine sinnvolle Maßnahme (Abwrackprämie), aber lt. Keynes auch nur, wenn die Schulden anschließend zurückgeführt werden (Schuldenbremse). Wenn diese Strukturen jedoch gar nicht vorhanden sind, was dann? Wie soll Griechenalnd bitte genesen, wenn es dort an funktionsfähigen Wirtschaftsstrukturen fehlt? Was stellt Portugal bitte her, das auf den Weltmärkten heiß begehrt ist? Wie will Frankreich mit steigenden Lohnstückkosten es schafften mit Deutschland zu konkurrieren?
    Ich bin davon überzeugt, es bleibt den Club-Med Löndern der schmerzhafte Weg per asprea ad astra nicht erspart. Frankreich, das uns gegenüber ja an einem gewissen Minderwertigkeitskomplex zu leiden scheint (durchaus unbegründet), wird diese Lehre möglicherweise auch noch beherzigen müssen und seine gegenwärtige Politik nicht durchhalten können.
    Ich glaube daher, dass Frau Mekrel mit ihrer vorsichtigen Politik der sparsamen Hausfrau im wesentlichen richtig liegt, ganz im Gegensatz zu Ihnen, Herr Fricke!

    • 10. Juni 2012 um 22:00

      Herr Schiebe, vielen Dank. Sie gehen aber auch nicht auf das entscheidende Argument ein: ja, es gibt strukturelle Probleme, nur hat sich die Krise weit darüber hinaus verselbständigt, weil sie Teil einer globalen Finanzkrise ist, in der Märkte dysfunktional werden. Wenn man dies nicht so sieht und diese dramatisch sich zuspitzende Krise einzig und allein als Verfehlung einzelner Staaten einstuft, kommt man natürlich zu anderen Ergebnissen, findet, dass so eine Krise auch von einer schwäbischen Hausfrau zu lösen sei und versteht die Schlüsse nicht, die ein Großteil der Experten international aus der Krise ziehen (ich bin da ja in großer Gesellschaft). Ich halte diese Interpretation nach zwei Jahren Krise für unverantwortlich, wie die Kanzlerin. Besten Gruß Thomas Fricke

  10. R.B.
    9. Juni 2012 um 09:55

    Es fällt mir schwer die Aufgeregtheiten des Hrn. Fricke nachzuvollziehen.

    Der einzige der Grund hätte aufgeregt zu sein, ist der deutsche Steuerzahler. Der ESM steht vor der Tür. Eurobonds (nicht ESBies! werden von den Krisenländern und deutschen Sozialpopulisten (Zitat: Sloterdijk) massiv eingefordert. Ich hatte – leider vergeblich – gehofft, das Thema Eurobonds wäre endgültig durch den Rost gefallen. Aber es verhält sich wohl wie mit dem Unkraut.

    Jüngster Schildbürgerstreich ist der dreiste Versuch auf den Einlagensicherungsfond der deutschen Banken und Sparkassen zuzugreifen, getarnt mit dem schönen Namen „Europäische Bankenunion“.

    Es reicht eben hinten und vorne nicht.

    Nicht genug damit, dass die „dumb german banks“ (J.J. Cramer), der Steuerzahler und Aktionär (z.B. HRE!) den amerikanischen „Hausmüll“ geschluckt haben. Nein, man möchte uns auch noch den spanischen vor die Tür karren.
    Finde ich nicht nett.

    Wie drakonisch die Einschnitte aufgrund des Spardiktats der deutschen Kanzlerin waren kann man z.B. hier nachlesen. [Wusste übrigens nicht, dass Frau Merkel noch einen Nebenberuf als „Kneblerin“ (O-Ton Fricke) hat. Hoffentlich korrekt versteuert 😉 ],
    http://www.wiwo.de/politik/europa/oekonom-juan-ramos-rallo-einsparungen-in-allen-regionen/6694992-2.html

    >>
    „Die Ursache der Probleme liegt einige Jahre zurück. Während der goldenen Jahre des Baubooms wurde die Region von einer Koalition aus Sozialisten und Nationalisten regiert. Und die hatten viel Spaß daran, Geld auszugeben. Selbst zu einem Zeitpunkt, als die Einnahmen schon spürbar zurückgegangen sind. Heute schränkt die Schuldenlast den Handlungsspielraum stark ein.“
    <<

    Wenn das Sparen ist, was ist dann „Gesundprassen“ (Krugman) ?
    Wie fast immer: Lösungen gibt’s viele. Nur ob sie auch zum Problem passen ist eine andere Frage.

    Vielleicht würde es helfen den Kopf freizumachen, ein oder zwei Schritte zurückzutreten und anfangen darüber nachzudenken damit aufzuhören, den Euro wie eine Monstranz vor sich herzutragen, bevor der Schaden maximiert ist/wird.

  11. H.Bernoulli
    9. Juni 2012 um 02:04

    Zu 99% wird wie hier fast überall am Problem vorbei geschrieben. Wie war es doch damals in den ehemaligen kommunistischen Ländern? Gab es da nicht ein zentralistischer Staatsapparat, welcher Unternehmen finanzierte, welche sonst, dem freien Markt ausgesetzt, pleite gegangen wären, weil dermassen ineffizient? Und was tun nun seit Lehmann Brother die Industriestaaten? Eben. Wer glaubt, eigentlich im freien Markt schon längst konkurs gegangene Finanzinstitute oder gar ganze Länder ewig weiter finanzieren zu können, macht sich einfach etwas vor. Und ganz nüchtern betrachtet, ist eigentlich seit 2008 ein Grossteil der Finanzinstitute bankrott und ebenso Staaten wie Irland, Island, Portugal, Griechenland, wenn nicht noch einige mehr. Aber diese Staaten können sich nicht vorübergehend mit der Notenpresse retten, wie dies andere tun – ein anderes Thema… Die Gläubiger dieser Staaten haben sich verzockt, Punkt. Da gibt es nichts zu retten. Und wer sich dermassen verzockt hat, dass er dies nicht überstehen kann, der geht halt pleite. Töricht ist es, diese Marktbereinigung nicht zuzulassen. Denn keine noch so hohe Brandmauer wird je errichtet werden können, um unabwendbare Marktbereinigungen abwenden zu können. Wer das glaubt, kann gerade so gut von Beginn an eine zentralistisch geführte Wirtschaftsordnung einführen. Letztlich werden alle Rettungsmassnahmen auch da hinauslaufen: eine zunehmend vom einem Zentralapparat geleitete Wirtschaftsordnung, weil sonst nicht überlebensfähig.
    Das eigentliche Problem reicht eigentlich noch eine Stufe tiefer. Würde man nämlich die anstehnede Marktbereinigungen zulassen, käme es wohl zu einer Kettenreaktion mit einer Kernschmelze des Finanzsystems. Was eben nicht verwunderlich ist, wenn man begreift, dass die heutigen Währungsräume wie Schneeballsysteme funktionieren: die Schulden bzw. Investitionen samt Kapitalerträge lassen sich nur finanzieren wenn immer neue, um die Höhe der geforderten Kapitalerträge höhere Schulden gemacht werden – ob nun vom Staat, Privaten oder Unternehmen. Ohne wachsende Schulden – von wem auch immer – lassen sich die nach dem Zinseszinsprinzip wachsende Vermögen nicht finanzieren. Und ohne Aussicht auf Vermögenswachstum wird nicht investiert, insbesondere nicht in die Realwirtschaft. Und ohne diese Investitionen kommt es zu einer deflationären Abwärtsspirale. Also muss die Verschuldung ewig weitergehen, damit die Vermögen entsprechend wachsen können, denn ohne Vermögenswachstum keine Investitionen und ohne Investitionen geht es erst recht Bergab. Das ist ein irres System, in dem ein Vermögenswachstums- und Verschuldungszwang eingebaut ist. 2008 hätte eine ungehemmt stattfindende Marktbereinigung dieses System beendet. Und seither schiebt man diese drohende Marktbereinigung – d.h. den Kollaps des heutigen Geld- und Finanzsystems – vor sich hin. Wenn man nun zur Einsicht kommen würde, dass es sich beim heutigen Geld- und Finanzsystem um ein Schneeballsystem handelt, würde man vielleicht an einem kontrollierten Ausstieg aus dem System arbeiten, welcher die eigentlich gut funktionierende Realwirtschaft verschont. Die eigentliche Frage müsste heute sein, wie kann die Kernschmelze im Geld- und Finanzsystem kontrolliert ablaufen, ohne die Realwirtschaft allzu sehr zu belasten. Ein Schulden- und Vermögensschnitt wäre da schon mal ein guter Ansatz.

  12. Take-it-away-Jay-Emm-Kay
    8. Juni 2012 um 23:21

    Sehr schöne Analyse! Vor allem gefällt mir, dass Sie mit den Zitaten einer Historikerin arbeiten, und die Krise eben auch von einer Geisteswissenschaftlichen, und nicht nur rein mathematischen Perspektive beschreiben.

    Die VWL muss ohnehin DRINGEND wieder eine Geisteswissenschaft werden, und wir können viel lernen aus der Psychologie, Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft und v.a. auch der Philosophie.

    Natürlich ist es so, dass rein mathematisch die Austeritätsfetischismus-policies unfassbar kümmerliche Ergebnisse produziert haben, wie auch vor zwei Tagen Paul Krugman wieder auf seinem Blog eindrucksvoll gezeigt hat (nebenbei: Asmussen’s Rede in Riga verdient eine 15 auf einer Skala von 1-10, mit 1 als ‚wissenschaftlich exzellent‘ und 10 als ‚erbärmlicher, hemmungslos hirnrissiger Dreck‘).

    Also ist es mit unserer Mutti (und ihren loyalen Gefährten Asmussen, Weidman und Schäuble) eben so, dass Sie es nicht so hat mit Mathe und Empirie und Fakten und diesem ganzem langweiligen Zeug. Ach, wenn Sie doch dann wenigstens eine bessere Geschichtskennerin wäre! Oder in der Lage wäre, über sich und die eigene Ideologie zu reflektieren. Oder wenigstens den Instinkt hätte, den richtigen Menschen (z.B. Bonfinger) zuzuhören.

    Oder wenn die Mutti doch WENIGSTENS bessere Geschichten erzählen könnte! Das ganze mit dem ‚die Südstaaten müssen jetzt erst mal ordentlich Buße tun für ihre Sünden, und ihre Gürtel enger schnallen, und die liebe confidence fairy wird dann die Sparsamen unter uns auch bestimmt belohnen mit nem lecker AAA rating, und alles wird gut’…also, diese Geschichte ist voll langweilig (und natürlich falsch, aber es geht mir hier eher um den Entertainment Faktor), da kann Ich ja gleich GZSZ gucken. Ach Mutti, NICHT MAL GESCHICHTEN KANNST DU ERZÄHLEN!!!

    Moral von der Geschicht: Trau der blöden Mutti nicht!!!

  13. M. Vogel
    8. Juni 2012 um 23:11

    Oh je, Herr Fricke, das ist also die Lösung?

    Laut Ihnen, Herrn Münchau und Herrn Wolf und Co ist die Logik der Eurozone ganz einfach: Deutschland muss möglichst ohne nachzudenken unglaublich viel Geld an die anderen Länder überweisen und unterschreiben, dass es auch die Haftung für die Schulden der anderen übernimmt. Sonst geht morgen die Welt unter. Mindestens. Wenn wir überweisen, wird alles gut. Die Griechen zahlen dann Steuern, die Italiener verbessern ihre Governance um Dimensionen, die Spanier entrümpeln das Arbeitsrecht radikal und die Iren etablieren eine vorbildliche Finanzaufsicht.

    Wenn das alles doch nicht so kommt, dann zahlen wir auf Jahrzehnte die Schulden der anderen EZ-Länder ab. Das ist dann eben Pech.

    Warum sollten wir Teil einer solchen Währungsunion sein wollen?

    • 10. Juni 2012 um 22:10

      Herr Vogel, tut mir leid, aber Sie haben das Argument offenbar gar nicht aufgenommen. Nein, und nochmals nein: wenn wir eine Garantie aussprechen würden – um die verselbständigte Panik zu stoppen, die uns irgendwann erfassen wird – dann würden wir nicht einen Cent überweisen müssen. Wenn wir das nicht tun, wird es für uns teurer. Und nochmal: es geht darum, eine Finanzpanik zu stoppen, die weit über die fundamental berechtigte Dimension hinausgegangen ist. Das heißt nicht, dass nicht jedes Land trotzdem seine Strukturen verbessern und Schuldenprobleme angehen muss. Mit besten Grüßen, Thomas Fricke

  14. Micha67
    8. Juni 2012 um 21:42

    @Thomas Fricke:
    Nette Analyse, aber welche Schlüsse ziehen wir daraus?
    Sie wirken auf mich wie ein Anhänger der keynesianischen Glaubenskirche, aber infolge der hohen Effizienz des Finanzmarktes haben Kredit-finanzierte Investitionen im Euroraum nun einmal nur eine Effizienz von 0,55 und im Dollarraum eine Effizienz von 0,25.
    Somit wachsen ihre Schulden schneller als ihre Wirtschaft, d.h.: Ihre Bonität geht vor die Hunde.

    Kredit-finanzierte Konjunkturprogramme funktioniere also nicht, d.h:
    Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein (Modell „schwäbische Hausfrau“).

    Jetzt bewirkt aber genau jene hohe Effizienz der Finanzmärkte, dass der Ansatz „Staatseinnahmen = Staatsausgaben“ in eine Rezession führt, denn der Wirtschaft fehlt jetzt Geld, welches zuvor via Staats-Kredit nachgereicht wurde.

    Also müsste der Staat „in etwa“ seine Ausgaben durch erhöhte Einnahmen decken, d.h.: Die Steuern erhöhen.

    Jetzt aber haben Sie solche Torfnasen wie den Seehofer/Rösler/Gabriel/etc., welche die Partei über den Staat stellen, d.h. höhere Steuereinnahmen in „Maßnahmen zur Wählerbestechung“ umzumünzen versuchen, d.h. beispielsweise ein Betreuungsgeld durchdrücken wollen, obwohl es billiger wäre, Seehofer ins „Betreute Wohnen“ zu verfrachten, damit er keinen Schaden mehr anrichten kann.

    Sie dürfen also keine höheren Staatseinnahmen generieren (und damit jene Torfnasen stützen), sondern irgendwie „erzwingen“, dass der Privatsektor selbst nach besten Fähigkeiten investiert.

    Wie also lösen Sie jene Konflikte?
    In der Lösung jener Konflikte liegt die Lösung.
    Und ja: Das Problem ist lösbar, jedoch komplex und somit dem Bürger schwer vermittelbar.
    Denn der Bürger belohnt schließlich durch seine Parteiwahl jene, welche ihn am effizientesten bestechen, nicht aber jene, welche ihm die komplexen Zusammenhänge zu vermitteln versuchen.

    • John Doe
      9. Juni 2012 um 22:39

      „… jene hohe Effizienz der Finanzmärkte, …“

      Da müssen reihenweise Banken und Nicht-Banken mit Staatsgeldern aus der selbstverschuldeten Schieflage gerettet werden. Da setzt JM mal so dir nichts $5 Billion in den Sand.
      Da rettet der isländische Staat die Kaupthing Bank ist jetzt pleite. Der irische Staat hat seinen Finanzbereich vollständig gerettet und ist jetzt pleite. Den Briten ist es ebenso gegangen. In Belgien übernimmt der Staat die Schulden der Dexia Bank ist schrammt als Folge an der Staatskrise vorbei. In Spanien muss der Staat den maroden Bankenbereich mit € 40 Milliarden retten, In den USA hat Obama rund $5 Trillion locker gemacht, damit sein Finanzsystem nicht zusammenbricht. Die Staatsverschuldung steigt um weitere $5 Trillion.

      Die Weltwirtschaft hat schuldenbasiert ihr Wachstum generiert. In den angelsächischen Ländern lag der Anteil des Finanzsystems tw. bei 50 % des GDP, in D liegt er knapp unter 40 %. Verschuldet sind die privaten Haushalte, die Unternehmen, der Finanzbereich selbst und letztlich auch ALLE Staaten. Im Schattenbankenbereich tummelt sich das intransparente Volumen von $702 Trillion, gemeldet werden nach Basel nur Summen. Nehmen Sie einfach nur die normale Ausfallquote von 10 % und die weltweite Wirtschaftsleistung ist mit einem Male futsch.

      Was ist an einem System „effizient“, das schon unter „normalen“ Ausfallquoten in den Zusammenbruch führt! Was ist für Sie an einem System „effizient“, welches nur dann jubelt, wenn der Staat ihm seine selbst geschaffenen Verluste regelmässig abnimmt? Der US- Staat nimmt von jedem, auch aus dem Schattenbakenbereich jeden Schrott ab, ebenso verhält sich die EZB. ESFS und ESM haben ebenso dieses Ziel. Die wirtschaftlichen Eliten argumentieren damit, dass das Finanzsystem „stabilisiert“ werden. Diese Formulierung dokumentiert, wohl unabsichtlich, und für jeden unvoreigenommenen Betrachter klar das Vorhandensein eines „instabilen“ System. Wäre es nicht so, sondern das System wäre „effizient“, dann brauchen die wirtschaftlichen Eliten den ganzen Zauber nicht. Wie kommen bloß zum gegenteiligen Ergebnis?

      Tuchmann: Denkerische Leerverkäufe finden nur im kognitiven Bereich statt, besonders bei der denkerischen Trennung, ob Wirklichkeit oder nur blosse Illusion vorliegt. Die kognitive Dissonanz hat dann meist üble Folgen.

  15. Karl-Heinz
    8. Juni 2012 um 19:52

    Gute Analyse.Ich nehme an zum Zeitpunkt der Veröffentlich war dem Verfasser wohl nicht bekannt, was der oberste griechische Steuerfahner von sich gab: Wenn die Griechen alle ihre Steuern zählten,gäbe es wohl keine Krise mehr. Zudem Mauern die Banken in Griechenland immer noch.

  16. Timo Geis
    8. Juni 2012 um 18:49

    Ich bin nicht sicher, ob all diese Maßnahmen letztlich erfolgreich sein können oder ob nicht letztendlich die Eurozone an ihrem Grundproblem scheitern wird, nämlich der Tatsache, dass 17 viel zu unterschiedliche Volkswirtschaften in einem Währungsraum zusammengeführt wurden.
    Länder wie Portugal, Griechenland und vielleicht sogar Spanien werden auch nach der Überwindung der akuten Krise nicht mit den Nord-Europaeichen Ländern konkurrenzfähig sein. Wenn sie sich nicht mehr billig Geld leihen können, aber auch ihre Währungen nicht abwerten können werden sie kaum mehr gute Wachstumsraten erzielen können.

    • Take-it-away-Jay-Emm-Kay
      8. Juni 2012 um 23:03

      Das stimmt einfach nicht. Rein wirtschaftlich gesehen können sich Nord und Süd sehr einfach aneinander angleichen: 5 Jahre von ca. 4% Inflation im Norden (v.a. D) und sehr niedrige Inflation im Süden würde schon ausreichen (vielleicht auch 6 Jahre, ist ja dann auch voll egal), die Volkswirtschaften auf sehr vergleichbares Niveau zu bringen.

      Ich will nicht abstreiten, dass auch bei vergleichbarer Wettbewerbsfähigkeit es durchaus möglich ist, dass einige Länder so und so viel Geld in die schwächeren Länder transferieren werden, aber das funktioniert in den USA ja auch. Niemand beschwert sich, dass South Carolina, Alabama und Mississippi (alles rückständige konservative Staaten) MASSIV Unterstützung von fortschrittlicheren (und linken, oder „blauen“) Staaten wie Mass. und NY bekommen. Und wenn in Florida die 2008er Krise besonders brutal wütet, dann wird eben auch Florida schnell zum Nehmerstaat, zumindest für einige Jahre, bis FLO wieder auf eigenen Beinen stehen kann.

      Also meine Argumentation basiert natürlich auf der Annahme, dass wir keine halben Sachen machen, und eine ECHTE Fiskal- und Transferunion, inkl. Eurobonds und lender of last resort Status für die EZB bekommen. Und in diesem Fall, wie gesagt, haben wir zwar GROßE Veränderungen vor uns in Europa, aber die sind nicht angsteinflößend. Was die Amis können, sollten wir auch hinkriegen!

      P.S. Ja, außer wirtschaftlichen Unterschieden gibt es auch ein paar Unterschiede was die Kulturen angeht (so sind die Griechen zum Beispiel VIEL fleißiger als wir, zumindest arbeiten Sie viel, viel länger pro Jahr). Aber sind solche Unterschiede auch nur ANNÄHERND so groß wie die kulturellen Unterschiede zwischen einem rassistischen, ungebildeten, schwulenfeindlichen, orthodox-christlichen 65-jährigem Weißen aus Alabama (also dem Standard-Südstaaten-Republikaner) und einer gebildeten, bilingualen, weltoffenen, atheistischen Latina aus Kalifornien?

      Ich meine: Nein.

  17. Verwunderter ...
    8. Juni 2012 um 15:31

    Tut mir leid Herr Fricke – selten habe ich einen größeren und einseitigeren Quatsch gelesen !

    Ihrer Ansicht nach wäre es also zielführend gewesen, wenn Frau Merkel das Portemonnaie bereits vor 2 Jahren ganz weit geöffnet hätte. Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass diese Kredite/Garantien zurückgezahlt worden wären?

    Zumindest für den Fall Griechenland – der der Krise noch einmal Geschwindigkeit verliehen hat – darf dies vor dem Hintergrund der Einnahmen- und Ausgabensituation, sofern keine Strukturellen Änderungen vorgenommen werden, ausgeschlossen werden. Diese Situation lag vor 2 Jahren bereits ebenso vor.

    Darüber hinaus sollte wir berücksichtigen, dass der Schuldenstand der Bundesrepublik Deutschland auch nicht als „Kicki“ eingestuft werden darf. Aktuell stehen wir aufgrund der noch funktionierenden Wirtschaft vergleichsweise gut da. Sollten sich unsere Absatzmärkte nachhaltig verschlechtern (darin, dass dies geschehen wird, sind sich die „Experten“ mal einig) werden wir uns nicht mehr so günstig refinanzieren können.

    Dies bedeutet, dass Zins- und Tilgungsleistung in einem ungesunden Verhältnis zum BIP stehen. Liegen Ihnen Hinweise vor, dass wir unseren Zins- und Tilgungsverpflichtungen dann noch nachkommen werden können. Würden wir dann weitere Kredite benötigen, um „alte“ Kredite bedienen zu können ??? Letztendlich hätten wir die gleiche Situation wie nunmehr in Griechenland.

    Vor diesem Hintergrund verbieten sich spekulative Geschäfte – Kredite an zahlungsunfähige Staaten basieren auf dem Prinzip Hoffnung und sind folgerichtig HOCHSPEKULATIV.

    SCHÖN das nicht Sie die Entscheidungen in Berlin herbeiführen !

  18. Dr. Alwin Devantier
    8. Juni 2012 um 15:11

    Es ist manchmal nicht zu fassen, welche Empfehlungen an die Bundesregierung von einem sogenannten Chefökonomen, zudem in so einer prekären Situation, die zudem völlig unnötig durch die durch nichts begründbare Euro – Einführung entstanden ist, publiziert werden. Es zeigt sich hier einmal mehr, dass die Ökonomie keine vollwertige Wissenschaft ist , es immer zum Teil völlig konträre Lösungsansätze für Probleme gibt. Trotzdem: 1 + 1 bleiben immer 2. Und aus Geld kann kein Geld erschaffen werden, ohne dass langfristig jemand des erschaffenen Geldes verlustig geht. Geld muß einen Gegenwert im Brutosozialprodukt haben und dies wird von “ ökonomischen Einheiten“ in entsprechenden konkurenzfähigen Strukturen geschaffen. Wenn diese Strukturen nicht vorhanden sind ( einschließlich Finanzsektor ), können auch Zentralbanken als last tender diese Gesetzmäßigkeit nicht verändern. Ein Blick in die Geschichte genügt. In 50 Jahren die 2 malige Enteignung der deutschen Bevölkerung. Ich finde es schon merkwürdig, ausgewiesene Fachleute der Bundesbank bzw in der EZB als fahnenflüchtige Feuerwehrleute zu bezeichnen, die sich doch gerade der Geldwertstabilität verpflichtet fühlen und außerdem die gesetzlichen Grundlagen der Euroeinführung beachten ( no bail out )

  19. Tim Miller
    8. Juni 2012 um 14:43

    Einerseits wirkt die Argumentation auf den ersten Blick plausibel, andererseits stellen sich mir dann doch Fragen:

    – falls eine sehr großzügig bemessene Brandmauer vorhanden wäre, welche Anreize könnten dann bestehen, trotzdem die Staatsfinanzen in den „geretteten“ Ländern in Ordnung zu bringen?
    – lässen sich mit dieser Brandmauer die Probleme unterdrücken, die durch das Missverhältnis zwischen Euro einerseits und den nur sehr lose gekoppelten Strukturen auf politischer Ebene und z.B. sehr unterschiedlich effizient arbeitender Finanzverwaltung andererseits entstehen?
    – ist der deutsche Wähler dazu bereit, diese Brandmauer mitzufinanzieren, bzw. könnte ihm die Notwendigkeit hinreichend erklärt werden?

    Letzten Endes läuft das Modell „EZB endlich als letzte Instanz mit allen Mittel wirken zu lassen und notfalls Eurobonds einzuführen“ wohl auf ein Äquivalent zum amerkianischen hinaus. Wie sich dieses Experiment allerdings langfristig auswirken wird, weiß auch noch niemand. Böse Zungen behaupten ja, das die letzte Finanzkrise auf das Vorhandensein von zu großen Mengen billigen Geldes zurückzuführen ist. Dies mit noch größeren Mengen Geldes zu beheben erscheint mir fragwürdig.

    • Take-it-away-Jay-Emm-Kay
      8. Juni 2012 um 22:41

      „falls eine sehr großzügig bemessene Brandmauer vorhanden wäre, welche Anreize könnten dann bestehen, trotzdem die Staatsfinanzen in den “geretteten” Ländern in Ordnung zu bringen?“

      –> Die Frage stellt sich überhaupt nicht mehr. Wir bewegen uns rasch auf eine RICHTIGE Fiskalunion zu. Dann würde Ihr moral hazard argument nicht mehr ziehen, weil ja nun alle 17 Mitglieder einiges an ihrer Haushaltssouveränität einbüßen würden (hier kommt Merkels Fiskalpakt ins Spiel – obwohl dieser in seiner derzeitigen Form hirntot ist, und noch dringend verändert werden müsste)

      „lässen sich mit dieser Brandmauer die Probleme unterdrücken, die durch das Missverhältnis zwischen Euro einerseits und den nur sehr lose gekoppelten Strukturen auf politischer Ebene und z.B. sehr unterschiedlich effizient arbeitender Finanzverwaltung andererseits entstehen?“

      –> gleiches wie Frage 1. Es ist die Fiskalunion, die dieses Problem lösen wird (Ich finde, wenn schon Fiskalunion, dann gleich politische Union –> vgl. USA)

      “ ist der deutsche Wähler dazu bereit, diese [Fiskalunion/Transferunion] mitzufinanzieren, bzw. könnte ihm die Notwendigkeit hinreichend erklärt werden?“

      Das ist die Preisfrage!!! Aber ganz ehrlich, es ist völlig dreckegal. Wir haben keine Alternativen mehr, Merkel hat 2.5 Jahre verdaddelt und jetzt bleibt nur noch diese letzte Möglichkeit übrig. Der deutsche Wähler wird sich damit abfinden müssen, so wie der griechische Wähler ja auch keinerlei Einfluss auf das eigene Schicksal gehabt hat seit mehreren Jahren. Wir MÜSSEN die Vereinigten Staaten von Europa lancieren.

      „Letzten Endes läuft das Modell “EZB endlich als letzte Instanz mit allen Mittel wirken zu lassen und notfalls Eurobonds einzuführen” wohl auf ein Äquivalent zum amerkianischen hinaus.“

      Yessir.

      „Wie sich dieses Experiment allerdings langfristig auswirken wird, weiß auch noch niemand. Böse Zungen behaupten ja, das die letzte Finanzkrise auf das Vorhandensein von zu großen Mengen billigen Geldes zurückzuführen ist. Dies mit noch größeren Mengen Geldes zu beheben erscheint mir fragwürdig.“

      Ja, diese bösen Zungen sind ein bisserl langsam im Köpfchen, und ideologisch verblendet. Fallen Sie bitte nicht auf diesen Schwachsinn rein!!! Die Finanzkrise war zum allergrößten Teil durch unfassbare Gier, ein völlig inadäquates/nichtvorhandenes Risikomanagement bei den Wall St. Banken, drastisches Marktversagen, unfassbar dumme Deregulierungswut in der Politik und auch noch Versagen der Kontrollinstrumente (Regulierungsbehörden wie auch Rating Agenturen) hervorgelöst worden. Also einfach den schwarzen Peter mal eben wieder mal den Zentralbankern mir ihrer ach-so-soften Geldpolitik zuzuschieben, geht an der Wahrheit meilenweit vorbei.

      Oh und nebenbei: wir können unser Europroblem auch nicht mit mehr Geld BEHEBEN. Aber QE (quantitative easing; was die EZB ja als lender of last resort starten könnte) wäre ein sinnvoller Teil des Puzzles. Aber ohne richtige Fiskalunion und besser noch politische Union gibt es eh kein Puzzle. Basta.

  20. Nemo
    8. Juni 2012 um 13:12

    Lieber Herr Fricke,
    Tuchmans Klassiker behandelt die Folgen falschen Verstehens und politischen Handelns und erläutert dies anhand von Beispielen. Was die Historikerin, in bester angelsächsischer Tradition, stets vermeidet, ist der Versuch, die Weltläufte mit einer Generalthese zu erschlagen. Genau das Gegenteil empfiehlt Ihre Analyse der Finanz- und Schuldenkrise. Es ist der Finanzmarkt – und Punkt! Den zentralen, über Jahrzehnte fatalen Mechanismus, wonach Geldinstitute an Staatsanleihen risikolos Zinsen verdienen und Staaten sich risikolos bis über den Schornstein verschulden, erwähnen Sie mit keinem Wort. Es ist ein törichtes System, eine unheilige Allianz von Staaten- und Bankenwelt, die jetzt beides ins Wanken bringt. Da für beide Seiten dieser Deal unverbrüchlich schien, zeigt nun der eine auf den anderen und ruft laut: haltet den Dieb! Sowohl Kapitalmärkten als auch Staaten sind Fesseln anzulegen. Ohne Frage bleibt auf diesem Weg noch vieles zu tun.

  21. 8. Juni 2012 um 11:51

    Dieser Kommentar von Thomas Fricke trifft mal wieder den Nagel auf den Kopf. Die Krisenmanager haben 2,5 Jahre eine falsche Politik , weil zu einseitig auf Sparen ausgerichtet , forciert und nicht links und rechts geschaut, wem diese Politik nutzt, wem sie schadet. Die Bevölkerung leidet, hat sie das verdient? – Spät aber vielleicht nicht zu spät erkennen die Euro Krisen Manager, warum Wachstum von anbeginn an erforderlich gewesen wäre. Meinetwegen auch aus disziplinarischen Gründen, vor allem aber, um ein Volk via Kaputtsparen nicht auch spychisch zu zerstören. Man redet -allen voran Angela Merkel und Herr Dr. med Wirtschaftminister- von Wachstum und verkennt dabei doch völlig, dass Wachstum mindesten zwei Wirkungshorizonte hat: einen langfristigen und einen kurzfristigen. Es wird weiterhin über den langfristigen gesprochen, wenn von Wachstum die Rede ist. Hilft das irgend einem Bürger, der jetzt schon nicht mehr weiter weiss, wie er den Monat finanziell überstehen soll, oder der arbeitslosen Jugend, die lieber heute als morgen einen Job finden will und muss?. Denn ein Job ist Lebensperspektive. Europa zu retten darf nicht länger im Geiste des Bestrafens vorangetrioeben werden, sondern im Geiste des echten Helfens. Auch wenn die, denen geholfen werden muss, immer auch ein gerüttelt Mass an Mitschuld trifft. – Umkehr im Denken ist angesagt, es ist keine Schande, einen eingeschlagenen Weg als falsch zu erkennen und dann zu ändern. Obwohl das – anders als in den USA – bei uns als das eigentliche Versagen von Politikern und Führungskräften in der Wirtschaft angesehen wird. Auch Folge des falschen Weges braut sich In Deutschlandnach nach den erfolglosen Jahren der Europa-Rettung eine unheilvolle Stimmung zusammen, die sich mehr und mehr gegen die Krisenländer wendet, zum Austritt auffordert und letztlich damit die Chance, Europa zu einem Markt werden zu lassen, der den Europäern nichts geringeres sichern kann, als ihre Zukunft. Schon ein schwaches Europa, zumal ein fragmentiertes, wieder nationalstaatliches Europa wird gnadenlos zwischen den geopolitisch sich stärkenden Kräften (China, Indien, etc.) zerrieben.

    • Juergen Hochheimer
      9. Juni 2012 um 08:09

      Sehr geehrter Herr Boecker,

      Frau Merkel spricht jetzt von mehr Europa, zu recht. Eine Flucht nach vorne mit dem Tsunami im Rücken wird auch wieder zur Flickschusterei einladen, so ist das nunmal.

      Leider sind Sie der Einzige, scheint mir, der zumindest am Ende die Taschenlampe mal dort hin richtet wo die Kräfte lauern die uns schon lange beinflussen und wir es einfach nicht wahrhaben wollen. Frau Merkel bedient unser leider viel zu grosses Wohlfühlbedürfnis, irgendwann muss sie sich aufraffen und sich überwinden und ein grösseres Ehrgefühl in uns erwecken. Das könnte auch andere Europäer motivieren ihre moralischen Messlatten etwas höher zu legen.

      Wir haben jetzt einen Präsidenten der es mit seinem Brief an den tschechischen Präsidenten, dessen Inhalt zu verbreiten es höchste Zeit ist, der endlich das richtige Zeichen setzt.
      Das Wohlfühlbedürnis unserer Mitbürger in Europa muss auch unsere Aufgabe sein es zu respektieren. meine schmerzhafte Erfahrung über viele Jahre ist, dass da ein ungehäuerlicher Nachholbedarf besteht.

      H J.H.

      Prag

  22. F. Lusch
    8. Juni 2012 um 11:36

    Sehr geehrter Herr Fricke,

    vielen Dank für diese – wie immer – gelungene Kolumne. Eine Frage hätte ich zur „Post-Bubble-Ökonomie“. Könnte es sein, dass wir noch mitten in einer Blase leben – nämlich in der Annahme, dass es endloses Wirtschaftswachstum geben kann? Und dass die fortgesetzte Krise, die wir seit nunmehr vier Jahren erleben, darauf zurückgeht, dass langsam das Ende des Wachstums erreicht ist? Ich möchte Ihnen dazu gern diesen Beitrag von der Versicherungsmathematikerin Gail Tverberg empfehlen, der die Lage meines Erachtens sehr gut zusammenfasst (insbesondere im Abschnitt „Limits we are now hitting“) – und bin gespannt auf Ihre Reaktion, sei es per Mail oder per Kolumne.

    Can we expect the economy to keep growing?

    Mit freundlichen Grüßen,
    F. Lusch

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