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Geldanlage: Die Angst wird von Quartal zu Quartal größer

29. Januar 2013

Die Interpretation der gestern veröffentlichen Bundesbankdaten zur Geldvermögensbildung privater Haushalte in Deutschland fällt annähernd einstimmig aus: Börsenrally macht Deutsche stetig reicher. Komisch nur, dass der Anteil von Aktien und Fonds am gesamten Geldvermögen heute niedriger ist als noch Mitte 2011 – obwohl die Kurse seitdem stark gestiegen sind. Denn was die Zahlen tatsächlich aussagen, ist folgendes: Die Panik der Anleger, etwas falsch zu machen, ist trotz der laufenden finanziellen Repression größer denn je – und ausgerechnet unverzinstes Bargeld und Sichteinlagen sind die einzigen klaren Gewinne mit immer höheren Milliardenzuflüssen.

Natürlich kann man aus den gestern veröffentlichten Bundesbankdaten zum Geldvermögen privater Haushalte etwas sehr positives herauslesen: Die Deutschen sind so reich wie nie, und im dritten Quartal 2012 sind sie noch einmal um rund 64 Mrd. Euro reicher geworden. Dieser Zuwachs setzt sich je rund zur Hälfte zusammen aus Kursgewinnen an den Börsen sowie aus dem Zuwachs an Spar- und Sichteinlagen.

Man kann in den Daten – vor allem vor dem Hintergrund der Entwicklung des Trends der letzten Quartale – aber auch etwas anderes erkennen: Die Panik der deutschen Privatanleger, etwas falsch zu machen. Denn die Angst vor nominalen Verlusten durch falsche Anlagen nimmt offenbar immer dramatischere Ausmaße an. Das zeigt sich dann, wenn man nicht die Veränderungen des Geldvermögens an sich betrachtet, die natürlich von Bewertungsveränderungen abhängen, sondern schlicht die Nettokäufe/-verkäufe bzw. Zu-/Abflüsse.

Angesichts der laufenden finanziellen Repression – in der die Zinsen sicherer Anlagen unterhalb der Teuerung liegen – verzeichnen ausgerechnet annähernd unverzinste Sicht- und Bargeldanlagen die mit großem Abstand größten Nettozuwächse. Das in diesen Anlageformen gelagerte Geld wuchs alleine im dritten Quartal 2012 rund 28 Mrd. Euro.

Zum Vergleich: Aus Aktien zogen Privatanleger im (an den Börsen freundlichen) dritten Quartal eine halbe Milliarde Euro ab. Aus Investmentfonds flossen netto eine Milliarde ab und aus Anleihen, die zwar mager, aber immerhin doch etwas verzinst werden, knapp fünf Milliarden Euro.

Q3_2012

Nun ist der Begriff „Geldanlage“ für Bargeld und Sichteinlagen natürlich missverständlich, tatsächlich handelt es sich dabei vermutlich mehrheitlich um Geld, mit dem schlicht überhaupt nichts passiert: Gehaltseingänge, Erlöse aus dem Liquidierungen oder dem Ablauf anderer Sparformen fallen etwa darunter. Ansprüche aus Versicherungen – die nebst Sichteinlagen einzige Gruppe mit nennenswerten Zuflüssen- dürften vor allem von den disziplinierenden Effekten langfristiger Verträge profitiert haben.

Wo auch immer aber ein Anleger selbst Hand anlegen musste – Spareinlagen (minus 0,8 Mrd.€), Termingelder (minus 4,5 Mrd.€), Sparbriefe (minus 3,1 Mrd. €), Anleihen (minus 4,7 Mrd.€), Aktien (minus 0,5 Mrd.€), Fonds (minus 1,0 Mrd.€) – gab es im dritten Quartal 2012 netto mehr Abflüsse als Zuflüsse.

Der Trend ist damit über die Quartale hinweg nicht nur stabil….

flow_ganzjahr

…sondern verfestigt sich: Interessanterweise haben Anleger im an den Börsen sehr schwachen vierten Quartal 2011 noch antizyklisch Aktien zugekauft, das war es dann aber auch schon wieder mit dem Interesse an Dividendenpapieren. Es gibt im Verlauf der letzten vier Quartalen nur einen klaren Gewinner, und das sind die Bargeld- und Sichteinlagen, gut zu sehen in diesem Diagramm, während selbst die Ansprüche aus Versicherungen erkennbar zu schwächeln beginnen, während für Aktien und Fonds Hopfen und Malz verloren scheint.

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Wie diese Zahlen zu Fonds – die Bundesbank nennt sie „Investmentzertifikate“ und verzeichnet konstant Abflüsse – zu den Zahlen des Fondsverbands BVI passen, ist mir nicht ganz klar. Der wies für die ersten drei Quartale 2012 Nettomittelzuflüsse in Publikumsfonds von rund 15 Mrd. Euro aus. Die Bundesbank erklärt hingegen mit Blick auf das dritte Quartal, Zuflüsse insbesondere in offene Immobilienfonds seien von Abflüssen aus anderen Kategorien mehr als aufgefressen worden.

Ein denkbarer Grund: Der Fondsverband und der BVI operieren mit unterschiedlichen Grundgesamtheiten. Eine andere, spekulative: Die Lage an der „Front“ beim Privatanleger ist noch dramatischer, als es die BVI-Zahlen nahe legen, was zur ersten Erklärung nicht im Widerspruch stehen muss: Auch viele Profianleger investieren in Publikumsfonds, und bei Profianlegern „stimmen“ die Zuflüsse. Vielleicht kann wer zur Aufklärung beitragen hier.

Was aber ist nun von der Deutung zu halten, die Börsenrally habe die Deutschen reicher gemacht? Die stimmt natürlich, alleine die Bewertungsgewinne am Kapitalmarkt sorgten – unabhängig von den Nettomittelzuflüssen-  für rund 33 Mrd. Euro Vermögensgewinne im dritten Quartal 2012.

Allerdings hat sich die vom Deutschen Aktieninstitut im August 2012 in die Welt gesetzte „Studie“, nach der die Zahl der Aktionäre in Deutschland im ersten Halbjahr 2012 um 1,5 Millionen gestiegen sei, nunmehr endgültig als Quatsch erwiesen. Denn der angebliche Zuwachs der Aktionärszahlen hat sich weder in Zuflüssen in Aktien noch in Fonds niedergeschlagen – nicht im ersten Halbjahr 2012 und auch nicht im dritten Quartal 2012. Das deckt sich mit den Nachrecherchen meiner Kollegen, die in dieser Erhebung der Aktionärszahlen einen methodischen Fehler vermuten. Was allerdings auch gerne erzählt wird, aber nicht stimmt: Dass deutsche Privatanleger prozyklische Dummköpfe wären. Denn nennenswerte Nettomittelzuflüsse von Privathaushalten gab es rückblickend vor allem im dritten und vierten Quartal 2011 laut Bundesbank – zu damals niedrigen Kursen, denn ihr Zwischentief sahen die Aktienmärkte im November 2011, ehe Mario Draghi die „Dicke Bertha“ heraus holte.

Wie man es auch dreht und wendet: Die Bedeutung der Aktie im Vermögensmix sinkt, und das trotz der stark gestiegenen Kurse, die ja eigentlich für steigende Anteile sorgen müssten. Denn es verschimmelt über die Inflation einfach Quartal für Quartal noch mehr Geld unverzinst, als durch Kursgewinne zusätzlich an Bewertungsgewinnen anfällt. Entfielen noch Mitte 2011 8,2 Prozent des Nettovermögens deutscher Haushalte auf Aktien, so sind es laut der letzten verfügbaren Zahlen per Ende Q3/2012 – trotz der deutlichen Bewertungsgewinne dank stark gestiegener Kurse! – nur noch rund 7,5 Prozent. Bei Fondsanteilen sank der Anteil von 13,3 auf 12,5 Prozent.

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