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Fabian Fritzsche – Euroaustritt als Alternative für Deutschland?

18. April 2013

Am vergangenen Wochenende hat sich die Alternative für Deutschland auf ihrem ersten Bundesparteitag formiert. Sie wird bei der Bundestagswahl im September mit dem Anspruch antreten, als einzige nicht-radikale eurokritische Partei mindestens 5% der Stimmen zu erhalten. Umfragen bescheinigen der Partei zumindest ein Wählerpotential von rund 25%, und schaut man sich die einschlägigen Internetforen der großen Tageszeitungen und Magazine an, kann leicht der Eindruck entstehen, auf diese Partei habe Deutschland nur gewartet. Erstaunlich ist für mich weniger, dass sich nun eine Partei gegründet hat, die explizit die Abschaffung des Euro als wesentliches Ziel im Programm stehen hat. Die weit verbreitete Unzufriedenheit mit der Gemeinschaftswährung ist schließlich so alt wie die Währung selbst (Stichwort TEURO) und da keine der etablierten Parteien grundsätzlich gegen den Euro ist, war es nur folgerichtig, dass diese Lücke nun genutzt wird. Überraschend ist hingegen m .E. vielmehr die Wahrnehmung der AfD zumindest in weiten Teilen der Bevölkerung als Partei mit hoher Wirtschaftskompetenz und gleichzeitig als „Partei des kleinen Mannes“, die als einzige die Sorgen vor Geldentwertung und Alimentierung Südeuropas ernst nimmt und das alles beenden möchte.

Die Liste der Unterstützer auf der Homepage der AfD zeigt hingegen eher das Gegenteil einer Arbeiter- oder Volkspartei, sondern suggeriert das Bild einer Eliten-Partei. Das muß sicherlich nicht per se schlecht sein, wenn sich Wirtschafts- und Juraprofessoren politisch engagieren, und auch Gutverdiener können sich selbstverständlich für die Belange von Geringverdienern bzw. für das Allgemeinwohl einsetzen. Eine Reihe der Unterstützer und Mitglieder ist jedoch bislang nicht unbedingt durch arbeitnehemerfreundliche Positionen aufgefallen.  So hat der vielleicht prominenteste Unterstützer Hans-Olaf Henkel in früheren Jahren hervorragende Arbeit als oberster Lobbyist der Industrie geleistet. Es sind daher zumindest Zweifel angebracht, inwieweit die Hoffnungen der vielen potentiellen Wähler tatsächlich berechtigt sind.

Darüber hinaus ist es zumindest außerhalb Deutschlands wohl mittlerweile Konsens, dass die massiven Leistungsbilanzungleichgewichte innerhalb der Eurozone maßgeblich zur Entstehung der Krise beigetragen haben. Die große Mehrheit der Ökonomen bei der AfD vertritt jedoch genau Positionen wie etwa Lohnzurückhaltung und De-Regulierung, die zur Entstehung dieser Ungleichgewichte geführt haben bzw.  die nun in den Krisenstaaten dazu beitragen, die Lage stetig weiter zu verschlechtern wie stetige Ausgabenkürzungen mitten in der Rezession. Auffälligerweise sind jedoch ausgerechnet die wirtschaftspolitischen Forderungen der AfD trotz der Vielzahl an Ökonomen, die sich zu den Unterstützern zählen, bislang wenig ausgearbeitet. Neben einer drastischen Vereinfachung des Steuerrechts bleibt der Euroaustritt nicht nur die Hauptforderung der Partei, sondern auch die einzig relevante Aussage zum Thema Wirtschaftspolitik.

Nun kann das Programm in den kommenden Monaten noch detaillierter ausgearbeitet werden, doch selbst bei der Hauptforderung der AfD bleiben viele Fragen offen. So lautet der erste Programmpunkt: „Wir fordern eine geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes.“ Wie aber sieht eine „geordnete Auflösung“ aus? Alleine die ernsthafte Überlegung einer Auflösung der Eurozone bzw. eines Austritts Deutschlands würde wohl zu einer massiver Kapitalflucht aus der Peripherie nach Deutschland führen. Die neue deutsche Währung würde plötzlich aufwerten, so dass der Export einbrechen würde, jedoch ohne entsprechenden Ausgleich durch eine stärkere Binnennachfrage, während die Peripherie um den Preis von hoher Inflation zwar auf einen Schlag preislich wettbewerbsfähig wäre, aber natürlich nicht über Nacht über entsprechende Produktionskapazitäten verfügt. Die wurden schließlich in den letzten zehn Jahren abgebaut. Um einem solchen Schock entgegen zu wirken, wären Kapitalverkehrskontrollen, wie jetzt in Zypern eingeführt, denkbar. Doch würden diese nicht nur den sonst vorgetragenen Idealen der AfD-Ökonomen vom freien Kapitalverkehr widersprechen, sondern würden vermutlich auch zu einem deutlichen Rückgang des Handels führen.

Damit so etwas wie eine geordnete Auflösung möglich ist, müssten also möglicherweise zunächst die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen beseitigt werden, damit es nicht zu plötzlichen Auf- bzw. Abwertungen kommt. Wenn es aber gelingt, die Ungleichgewichte abzubauen, wären die aktuellen Argumente für eine Auflösung des Währungsraumes hinfällig. Solange die AfD jedoch selbst bei ihrer Hauptforderung keine Lösungen anbietet, kann sie keine ernstzunehmende Alternative zu den etablierten Parteien sein.

  1. Brody
    22. April 2013 um 15:43

    Traumschau’s Beitrag ist genau das beste Beispiel, wohin das ausgeprägte Halbwissen unserer Zeit und „Ich nutze den Staat für meine Lobby“ hinführt. Gerade die „Linksradikale“ Auffassung ist vollkommen an den Realitäten vorbei.

    Die AfD möchte eine Auflösung des Währungsgebiets durch Volksabstimmungen. Keinen Euro-Austritt. Hierbei ist also der Geist, mit den europäischen Völkern eine Lösung zu finden. Wie die genau aussieht, verhandelt man da. Irgendwie muss man sich auf einen Schuldenschnitt einigen, und zwar im Interesse der Masse der Steuerzahler. Nicht der Transferleistungsempfänger die durch die Besteuerung und ihrem zugrundeliegenden gesetzlichen Zwang profitieren. Das sind Arbeitslose, Staatsbedienstete aber auch einige Großunternehmen, und die internationalen Anteilseigner, die sowohl Presse als auch Lobbyorganisationen der Grünen/SPD und auch der CDU finanzieren bzw. günstig Informationen zuliefern.

    Wenn Deutschland nicht in der Geschichte fortlaufend von außen erpresst würde, wäre das vermutlich mit einigen Regionen der USA das reichste Land dieser Erde.

    Der Binnenmarkt Deutschlands wurde ja schon durch erhebliche Zunahme der Besteuerung in den 90’er Jahren, und richtig ab 1998, angegriffen. Wenn alleine die Ökosteuern degressiv wirken und die Produkte verteuern, und diverse andere Staatseingriffe (Absenkung des Beginns des Spitzensteuersatzes bei gleichzeitiger Entwertung des Geldes) letztlich immer von der Mitte bis ganz oben getragen werden, dann braucht man sich nicht wundern, dass die breite Mittelschicht Wohlstand verliert und Nominallohnerhöhungen real zunichte gemacht werden. Das passiert in vielfältiger Hinsicht und greift ganz bewusst die langfristig und lokal denkenden Menschen und Unternehmer an. Diese Sauerrei muss aufhören.

  2. M.P.
    20. April 2013 um 09:00

    Die Gründung der AfD ist schon deshalb zu begrüßen, weil sie das „Alternativlos“-Konzept der Bundesregierung und der übrigen Parteien (mit Ausnahme der Linken) in Frage stellt. Im übrigen weiß niemand und erklärt auch niemand, wie man eine Währung geordnet rettet. Zudem gab es, historisch gesehen, schon die eine oder auch andere Neueinführung von Währungen, insofern ist das nichts neues.

    Ein Zusammenbruch der Binnennachfrage ist jedenfalls in Deutschland nicht zu erwarten, da wir DAS schon seit Ende der 1990er Jahre haben. Das eine neue deutsche Währung stärker wäre, als der jetzige Euro und das damit die Exportüberschüsse wegbrächen ist das, was genau der Sinn dahinter ist. Derzeit exportieren wir in hoch unanständigen Maßen und auf Kosten derer, die unsere Produkte importieren.

    So schön Ricardos Theorie der komperativen Kosten auch sein mag, sie funktioniert nur dann, wenn in den beteiligten Volkswirtschaften Vollbeschäftigung herrscht. In allen anderen Fällen ist sie nicht nur sinnlos, sondern sogar schädlich, weil der Impoteur seine eigene Arbeitslosigkeit verstärkt und damit die Binnenmärkte zerstört.

    Die Rechnung ist einfach: keine Arbeit, kein Lohn, keine Nachfrage, keine Steuern

    Das ist auch den „kleinen Leuten“ klar, selbst wenn die noch nie was von Ricardos Theorien gehört haben. Aber jedem ist klar, dass ein Auto, dass nicht in Deutschlad gebaut wurde, in Deutschland auch keine Arbeitsplätze gesichert hat. Das Bauchgefühl der Menschen in Europa sagt ja ganz klar, dass der Euro in seiner jetzigen Form schlecht ist. Die Menschen verarmen doch in Massen.

    Henkel, Schachtschneider, Starbatty und die vielen anderen sind sicher nicht die großen Tröster der Witwen und Waisen, aber alternativlos ist auch aussichtslos und hoffnungslos.

    Sollte die AfD es tatsächlich in den Bundestag schaffen, werden die anderen Parteien reagieren müssen. Diese Partei wird man auch nicht so elegant „übersehen“ können wie die Linke, aus der derzeit die gesamte Opposition zur Alternativlosikeit besteht.

    Auch, wenn diese neue Partei nicht meine Positionen unterstützt, sie ist notwendig und stellt eine enorme Bereicherung der Demokratie dar.

  3. Tyler Durden Volland
    20. April 2013 um 00:24

    Das ist alles richtig, geht aber am eigentlich Wichtigen vorbei.

    Die „Popularität“ dieser Partei erklärt sich nämlich gar nicht so sehr aus ihrem Programm zum Euroaustritt.

    Was den Bürgern auffällt ist, dass dieser Verein die einzige Partei in DE ist, die eine ganz konkrete, an eines festes Ziel gebundene Politik anbietet.

    Lange vor der Einführung des Euro wussten sehr viele bereits, dass die Einführung einer Gemeinschaftswährung in ein Desaster führen wird, wenn nicht gleichzeitig als Minimum einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik zumindest eine gemeinse Steuer & Finanzpolitik eingeführt wird.
    Jeder der dies wissen wollte, konnte es damals schon wissen.
    Ein Volk das sich jahrzehntelang einen primitiven rechten Kleinbürger zum Kanzler wählte, der dies absolut nicht sehen wollte, das erhält nun die Rechnung, im wahren Sinne des Wortes, für seine Ignoranz.

    Von den heutigen im Parlament vertretenen fünf bürgerlichen Einheitsparteien bietet nicht eine ein wirkliches Programm an, das irgendetwas zu einer grundsätzlichen künftigen Verbesserung anzubieten hat. Durchwurschteln und gewählt, bzw wiedergewählt werden ist alles.

    Diese AfD hingegen bietet wenigstens die Abschaffung einer der Ursachen des sich immer mehr vergrössernden Mahlstroms an, der den Wohlstand Europas zerstört.

    DAS ist die Attraktion dieser Leute.

  4. yota-berlin
    19. April 2013 um 16:04

    Herr Fritsche, Sie fragen: Wie aber sieht eine „geordnete Auflösung“ aus?
    Vielleicht hilft Ihnen das Interview mit Herrn Lucke etwas weiter:
    http://www.issberlin.info/?p=991
    Interessant wäre es, Ihren Kommentar dazu zu lesen.

  5. Traumschau
    19. April 2013 um 01:32

    Oh, Korrektur! Letzter Absatz: … Wenn die Handelsungleichgewichte … muss es heißen.
    Wo ich der AfD aber zustimme und – so denke ich – alle nur zustimmen können, ist der fortgesetzte Rechtsbruch im Rahmen der Verträge und das enorme Demokratiedefizit in der EU. (vielleicht könnt ihr meinen ersten Kommentar dementsprechend korrigieren? Ich muss ja nicht zwei mal hier aufschlagen … LG)

  6. Traumschau
    19. April 2013 um 00:32

    Genauso ist es! Ein Hoch auf die Logik. Es ist genau das, was ich an anderer Stelle geschrieben habe (Sie machen das viel besser …) und von den Mitforisten deshalb ziemlich kühl „abserviert“ wurde. Nein, Fragen werden nicht gestellt. „Raus aus dem Euro, egal wie“ ist die Devise. Dass diese Partei nur eine weitere neoliberale Spielart der herrschenden Einheitspartei abseits der Linken im Deutschen Bundestag ist, kümmert die Leute nur wenig! Das sind übrigens genau dieselben Leute, die gegen die „Mainstreammedien“ agitieren und offensichtlich nicht in der Lage sind, Parteiprogramme zu lesen und wahrzunehmen, was nicht gesagt wird.
    Die AfD sagt nichts zu unserem schiefen Wirtschaftsmodell. Die finden unsere Überschüsse super – sonst wäre Henkel ja nicht dabei! Was kümmert diese Partei der Niedriglohnsektor, wenn doch dieser „Professorenschwarm“ davon nicht betroffen ist? Was scheren diese Partei die Handelsungleichgewichte und die damit verbundenen desaströsen Entwicklungen in unseren Nachbarländern? Was ist ein Inflationsziel? Was ist eine Währungsunion? Fehlanzeige – kein Kommentar …
    Es ist so wie immer: Über sich selbst hinaus denken, fällt einfach schwer. Da hilft dann auch keine C3-Professur. Erbärmlich …
    Und wie Sie geschrieben haben, muss eine Währung abgewickelt werden. Wenn dann die Inflationsraten wieder auf der Spur sind, hat man es geschafft und eine Auflösung der Währungsunion ist dann unnötig. (siehe H. Flassbeck auf YT und das neue Buch „Handelt jetzt“). Vielen Dank für diesen Beitrag!
    LG Traumschau

    • Daniel Petters
      22. April 2013 um 11:22

      Danke, so etwas wollte ich auch schreiben. Guter Kommentar zu einem guten Artikel.

  1. 19. April 2013 um 15:35
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