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David Milleker – Chinas Export: eine Basarökonomie?

7. August 2013

Noch zählen Optimisten auf die anhaltende Zugkraft der chinesischen Wirtschaft für die globale Konjunktur. Die Frage ist, ob diese Hoffnung nicht längst überholt ist.

Am 9. Juli veröffentlichte der Internationale Währungsfonds revidierte Prognosen im Rahmen seines weltwirtschaftlichen Ausblicks. Dabei wurden erstmals seit langem die Prognosen für die größeren Schwellenländer merklich zurückgenommen. Die Hoffnung, dass nach der Finanz- und Wirtschaftskrise dieser Länderkreis zum Zugpferd für die Weltwirtschaft werden kann, hat damit einen deutlichen Dämpfer erhalten.

Nun waren wir nie sonderliche Fans der konjunkturellen Abkopplungsthese. Dennoch muss man natürlich anerkennen, dass es etwa in China spätestens seit 2009 politisch ein sehr starkes Bewusstsein dafür gibt, dass ein (auf die Industrieländer ausgerichtetes) exportgetriebenes Wachstumsmodell seine Grenzen hat und Risiken für die eigene wirtschaftliche Stabilität mit sich bringt. Die seit dem vergangenen Jahr amtierende neue Staats- und Parteiführung betont daher noch stärker als ihre Vorgänger die Notwendigkeit eines stärker binnenwirtschaftlich getriebenen Wachstumsmodells.

Um zu sehen, inwieweit hierbei bislang Fortschritte erzielt worden sind, wollen wir die außenwirtschaftliche Seite ein wenig genauer unter die Lupe nehmen, die ja eine Änderung der Wirtschaftsstruktur wie ein Fotonegativ abbilden sollte. Von Interesse ist dabei vor allem die Importseite. Diese kann man grob in zwei Komponenten zerlegen. Zum einen Importe, die chinesische Endnachfrage befriedigen. Zum anderen importierte Vorleistungen für Exporte. Hier werden Güter importiert, die nicht zur Befriedigung eigener Bedürfnisse dienen, sondern letztlich Endnachfrage in anderen Ländern bedienen (exportinduzierter Vorleistungsimport). Das Verhältnis zwischen beiden Komponenten verrät natürlich einiges über die wirtschaftlichen Strukturen. So würde eine Verschiebung der Verhältnisses zu weniger exportinduzierten Vorleistungsimporten wahlweise für eine intensivere Binnennachfrage oder eine höhere Wertschöpfungstiefe der chinesischen Produktion sprechen. Es würde mithin zeigen, dass der Wandel zu einem eher binnenwirtschaftlichen Modell auf guten Wege ist.

Das Konzept des exportinduzierten Vorleistungsimports wurde 2005 von Hans-Werner Sinn unter dem Begriff der „Basar-Ökonomie“ popularisiert. Die Diskussion, ob und inwieweit importierte Vorleistungen nun positiv oder negativ zu bewerten sind, spielt in unserem Zusammenhang keine Rolle.

Relevant ist dagegen, dass eine statistische Untersuchung auf Basis von OECD-Zahlen zum realen Außenhandel Chinas im Zeitraum 1996 bis 2012 nahelegt, dass exportinduzierte Vorleistungsimporte die binnenwirtschaftliche Endverwendung im Verhältnis 2,5 zu 1 dominieren. Das Bild einer Basar-Ökonomie passt also hervorragend auf China (auch wenn wir uns den etwas abschätzigen Unterton dieses Begriffs nicht zu eigen machen). Man sieht das auch daran, dass sich Exporte und Importe in China in einem extremen Gleichlauf bewegen, während auf der Exportseite nach wie vor die Industrieländer gegenüber anderen Schwellenländern das Auf und Ab der Ausfuhren (etwa im Verhältnis 2,8 zu 1) dominieren. Sowohl bei den Importen als auch bei den Exporten konnten wir darüber hinaus statistisch nicht feststellen, dass es zu durchgreifenden Änderungen (Strukturbruch) gekommen ist.

Die Hoffnung auf einen durchgreifenden Wandel und eine eigenständigere Rolle der Schwellenländer im Allgemeinen und Chinas im Speziellen erfüllt sich in einer genaueren Analyse des chinesischen Außenhandels bislang noch nicht. Ohne Frage wachsen die Schwellenländer dynamischer, solange die Industrieländer zumindest langsam und stetig wachsen. Dass die Schwellenländer aber zu dem Zeitpunkt an Dynamik verloren haben, als mit der Rezession im Euro-Raum ein Industrieländermotor ausfiel, ist kein Zufall. Mit seiner zentralen Rolle als Lieferant in Richtung Industrieländer und starker Importeur aus anderen Schwellenländern ist China eine wichtige Verteilstation, aber kein eigenständiger Treiber der Weltwirtschaft.

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  1. 7. August 2013 um 16:10
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