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David Milleker – Abenomics: Eine Zwischenbilanz

5. November 2013

Vor einem knappen Jahr kam Shinzo Abe zurück auf die Bühne der japanischen Politik mit dem Versprechen, die japanische Wirtschaft mit einem revolutionären Programm aus expansiven Fiskalmaßnahmen, expansiver Geldpolitik und Strukturreformen umzukrempeln. Seit seiner Amtseinführung kurz vor Weihnachten 2012 konnte er sein Programm Schritt für Schritt umsetzen. Er startete unmittelbar mit einem ambitionierten Konjunkturprogramm höherer öffentlicher Ausgaben. Im April 2013 berief er mit Haruhiko Kuroda einen neuen Chef an die Spitze der Bank of Japan, die sogleich ein höheres Inflationsziel und eine Verdoppelung der Zentralbankbilanz verkündete.

Nun sind zehn Monate eher kurz, um über Erfolg oder Misserfolg eines grundlegenden Politikwechsels zu urteilen. Eine Volkswirtschaft umzukrempeln, die seit mehr als 10 Jahren an Deflation leidet und deren Erwerbsbevölkerung jedes Jahr aus demographischen Gründen um mehr als 1% schrumpft, lässt sich nicht über Nacht bewerkstelligen.

Wir wollen aber dennoch den Versuch unternehmen. Nicht zuletzt deshalb, weil die japanische Politik ab April 2014 eine erste Kursadjustierung vornimmt. Erstens läuft das ursprüngliche Konjunkturpaket aus, zweitens wird die Mehrwertsteuer von 5% auf 8% angehoben und drittens wird ein weiteres, aber deutlich kleineres Entlastungspaket für die Unternehmen aufgelegt.

Den Leitgedanken von Abenomics kann man vielleicht mit der Reanimation nach einem Herzstillstand vergleichen. Mit Hilfe eines Elektroschocks setzt man einen starken Grundimpuls, der das Herz wieder schlagen lässt. Allein weil der Elektroimpuls eine körperliche Reaktion in Form eines Zuckens hervorruft, heißt das aber noch nicht, dass das Herz dann selbstständig weiterschlägt.

Übertragen auf den ökonomischen Zustand Japans lässt sich festhalten, dass die Wirtschaftsleistung nach der öffentlichen Ausgabensteigerung zu Beginn von Abes Amtszeit kräftig zulegen konnte. Der Impuls hat also Wirkung gezeigt. Das sagt aber nichts bis wenig über die Lebensenergie aus, die Japan nach Ablauf des Impulses zeigen wird.

Wenn wir eine Reihe von anderen Indikatoren heranziehen, fällt das Urteil ziemlich ernüchternd aus: So hat die Abwertung die Importpreise um 20% steigen lassen, die Kerninflationsrate ist dadurch aber gerade mal um 0,75 Prozentpunkte auf 0% geklettert. Die mittelfristigen Inflationserwartungen der Verbraucher blieben unverändert. Die Nominallöhne (inklusive Sonderzahlungen) stagnieren weiter, während die Grundgehälter sinken. Die Produktionskapazitäten in der Industrie sind weiter rückläufig. Das Neukreditgeschäft hat sich ebenfalls nicht beschleunigt.

Oder zusammengefasst: Die japanische Wirtschaft sendet über die unmittelbare Reaktion auf die Fiskalpolitik hinaus keine zusätzlichen Lebenszeichen.

Mit der Trendwende in der Fiskalpolitik ab dem kommenden Jahr und einem nach wie vor nicht grundlegend veränderten Gesundheitszustand ist aber auch klar, wohin Abenomics als nächstes steuert: Über eine nochmal aggressivere Zentralbankpolitik soll der Außenwert des Yen weiter geschwächt werden.

Die zentralen Fragen mit Blick auf Abenomics waren immer: Ist es überhaupt möglich, mit expansiven Makro-Impulsen eine rapide alternde Gesellschaft zu einem Wachstumsvorreiter zu machen? Und falls ja, trägt dann auch der politische Wille dazu lange genug?

Eine positive Antwort auf diese Fragen kann leider nicht gegeben werden.

  1. Andrku Kulbert
    11. November 2013 um 17:41

    „Mit Hilfe eines Elektroschocks setzt man einen starken Grundimpuls, der das Herz wieder schlagen lässt. Allein weil der Elektroimpuls eine körperliche Reaktion in Form eines Zuckens hervorruft, heißt das aber noch nicht, dass das Herz dann selbstständig weiterschlägt.“

    Auch auf die Gefahr hin, altklug zu wirken. Diese Meinung über Elektroschocks ist, Dank Hollywood, weit verbreitet und… falsch.

    Diese Schocks dienen nur dazu Kammerflimmern usw. abzuschalten, siehe auch:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Defibrillator#Defibrillation

    In der Hoffnung, dass Herz fängt sich von selbst wieder, wenn man die unkontrollierten Erregungszustände abgeschaltet hat. Meist ist danach aber Herz-Druck-Massage angesagt. Nix mit „zucken“ als körperliche Reaktion, zumindest ist mir kein Verfahren bekannt, was so funktionieren würde.

    Das könnte man natürlich auch auf die wirtschaftliche Lage übertragen… 😉

    Zu den Abenomics: ein widersprüchliches Konzept aus Finanzmarkt-Deregulierung, Deficit Spending, Mehrbelastung der Bevölkerung (Mwst) und Entlastung der Unternehmen, Abwertung der Währung und angeblich soll auch gespart werden. Alles was ich bisher gehört habe, passt nicht zusammen, bzw. ist extrem widersprüchlich. Deficit Spending passt z.B. nicht zur Mehrbelastung der Bevölkerung und auch nicht zu „sparen“, ebensowenig passen Konjunkturpakete zu Strukturpolitik (klassische Definition dieses Euphemismus: Entrechtung der Bürger zugunsten von Investoren und Banken).

    Fundierte Infos findet man aber nicht mal auf Wikipedia. Trotzdem scheinen schon alle sicher zu sein, dass es nichts bringt und darüber hinaus, dass Deficit Spending, also staatliche Konjunkturpolitik, mal wieder scheitern wird.

    Das ist natürlich Quatsch:

    1) Japan ist seit Jahrzehnten ähnlich exportorientiert wie D und kann sich nicht daraus lösen. Die Ungleichgewichte die durch eine solche Fixierung entstehen, besonders was die Wirtschaftspolitik angeht, sind fatal. Die genannten „Strukturreformen“, die vor allem Lohn- und Steuerdumping befördern und den Staat zurückdrängen sollen, sind nur ein Punkt davon. Wenn man Deficit Spending aber nur einsetzt, um den Export zu steigern, muss man in einem schlechten Weltmarkt aber unter den Möglichkeiten bleiben. Es können halt nicht alle Exportüberschüsse erwirtschaften, irgendjemand muss die dazugehörigen Defizite erzeugen (was niemand mehr will).

    2) Japan ist durch eine Immo-Blase in die jetzige Situation geraten, die durch eine Börsenblase zu ersetzen, erscheint mir gewagt.

    3) Was die Japaner brauchen, ist, analog zu D, eine Binnenmarktentwicklung. Inwieweit die Bürger mittlerweile entschuldet sind, weiß ich nicht. Aber die Japankrise ist ja schon lange her, es scheint, dass sich eine fatale Sparmentalität breit gemacht hat. Mit Strukturreformen verstärkt man die noch, da die Unsicherheit bei den Bürgern erhöht wird. Sie brauchen Zuversicht und nicht steigende Verbrauchssteuern.

    Fazit: wenn das Abenomics tatsächlich so ist, wie überall kommuniziert, dann muss es scheitern, einfach aufgrund der total widersprüchlichen Ziele, die man gleichzeitig erreichen will. Und klassisch: dem kurzen Atem bei der Konjunkturförderung. Um ernsthaft mehr als ein Strohfeuer zu bekommen, muss man das uU mehrere Jahre durchziehen. Das ist aber schwierig, wenn man das Geld von privaten Investoren leihen will, anstatt es selbst zu drucken…

  2. Traumschau
    5. November 2013 um 20:58

    Ich weiß gar nicht, ob ich mir überhaupt noch die Mühe machen sollte, einen Kommentar zu schreiben – er wird ja ohnehin nicht veröffentlicht!
    Warum konnten also die Programme der jap. Notenbank nicht zum Erfolg führen?
    Prof. Richard Werner hat es erklärt. Alle weiteren Erklärungen erspare ich mir …
    Vielleicht noch so viel: Die Löhne machen die Preise. Die Inflation kommt von den Löhnen, genauer von den Lohnstückkosten. Warum sollte es ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum geben, wenn die Löhne stagnieren und die Unternehmen keinen Grund haben, aufgrund der schwachen Binnennachfrage und geringer Kapazitätsauslastung, zu investieren?
    QE ohne Kreditlenkung in produktive Investitionen funktioniert nicht – schon mal gar nicht, wenn die Löhne seit Jahren stagnieren. Ist das wirklich so schwer zu verstehen?
    Die Demographie hat damit überhaupt nichts zu tun!
    LG Traumschau

  1. 8. November 2013 um 18:03
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