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Fabian Fritzsche – Die Kosten der Überschüsse

18. November 2013

Als Deutschland kürzlich erneut von USA und IWF für seine extrem hohen Leistungsbilanzüberschüsse kritisiert wurde,  setze wie auch schon bei ähnlicher Kritik in den letzten Jahren ein Sturm der Entrüstung los. Deutschland solle für seinen Erfolg bestraft werden, die Exporte künftig wohl über bürokratischen Erlass gedrosselt werden, so die schlimmsten Befürchtungen. Leider war im deutschen Sprachraum kaum sachlich begründete Kritik zu hören, Politik und Wirtschaftsverbände sprachen allenfalls von „völligem Unsinn“. Dabei scheint eine ganze Reihe von Missverständnissen weit verbreitet, etwa dass Deutschland schon immer Überschüsse erzielt habe und dass diese nun über weniger Exporte verringert werden sollen. Insbesondere jedoch scheint es in Deutschland kaum Zweifel hinsichtlich der Vorteilhaftigkeit der Überschüsse zu geben.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Deutschland zwar seit jeher Handelsbilanzüberschüsse aufweist, die weiter gefasste Leistungsbilanz, die z.B. auch Tourismus und Überweisungen etwa von Gastarbeitern an das Ausland beinhaltet, war jedoch im Durchschnitt bis zur Euroeinführung nahezu ausgeglichen. Zur Zeit von Bretton-Woods bis Anfang der 70er waren derartige Ungleichgewichte ohnehin ausgeschlossen, aber auch danach bis Mitte der 80er Jahre waren die Schwankungen klein. Einen leichten Überschuss Mitte der 1970er stand ein kleines Defizit Anfang der 1980er gegenüber. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wies die deutsche Leistungsbilanz erstmals nennenswerte Überschüsse auf, die damals das Spiegelbild zu den US-amerikanischen Defiziten darstellten. Mit der Wiedervereinigung rutschte die deutsche Leistungsbilanz dann jedoch für ein Jahrzehnt in den leicht negativen Bereich – trotz Exportweltmeisterschaft. Erst mit der Einführung des Euros und der damit fehlenden Aufwertungsmöglichkeit der eigenen Währung, stiegen die Überschüsse deutlich an.

Solange die exportierten Güter bezahlt werden, ist ein Überschuss nicht verschenkt, sondern führt zu Vermögensaufbau gegenüber dem Ausland, wobei dieses Auslandsvermögen vorwiegend in Form von Staats- und Unternehmensanleihen, Aktien und sonstigen Unternehmensbeteiligungen gehalten wird. Während das hohe Auslandsvermögen Chinas insbesondere gegenüber den USA allgemein bekannt ist, scheint das sehr hohe deutsche Auslandsvermögen weitestgehend unbekannt zu sein. Nach Angaben des IWF betrug die sog. Nettoauslandsposition Deutschlands im zweiten Quartal 2013 gut 1,2 Bio. Euro. und war damit ähnlich hoch wie die Chinas. Um diese 1,2 Bio. Euro übersteigt also das Vermögen von deutschen Haushalten, Unternehmen und Institutionen im Ausland das Vermögen von Ausländern in Deutschland. Die daraus resultierenden Erträge (Zinsen, Dividenden etc.) sind eines der Hauptargumente der Befürworter von Leistungsbilanzüberschüssen. Die deutschen Leistungsbilanzsalden der Vergangenheit summieren sich jedoch auf über 1,6 Bio. Euro.

Leistungsbilanzsaldo

Die Differenz von 400 Mrd. Euro lässt sich durch Wechselkursänderungen, Wertschwankungen und Abschreibungen erklären.  Ob dieser durch Aufwertung der Währung eintritt – was angesichts der Überschüsse vor allem innerhalb der Eurozone sowie der Stabilität des EUR/USD-Wechselkurses kaum dazu beigetragen haben dürfte – oder durch echte Abschreibungen auf das Vermögen geschieht, ist letztlich irrelevant. Insbesondere zwischen 2006 und 2008 sowie jeweils im dritten Quartal 2010 und 2011 kam es zu großen Verlusten, trotz anhaltend hohem Leistungsbilanzüberschuss, sank laut IWF die Nettoauslandsposition. Diese 400 Mrd. stellen letztlich einen volkswirtschaftlichen Verlust für Deutschland dar, den eventuelle Vorteile anhaltend hoher Überschüsse kaum ausgleichen können.

Nettoauslandsposition

in Mrd. EUR

Kumulierter Leistungs-bilanzsaldo in Mrd.   EUR

Differenz

in Mrd. EUR

2006

646.73

583.90

62.83

2007

643.52

765.80

-122.28

2008

631.13

931.60

-300.47

2009

806.30

1,048.20

-241.90

Q2 2010

877.94

1,111.30

-233.36

Q3 2010

823.98

1,142.50

-318.52

Q4 2010

883.58

1,190.40

-306.82

Q1 2011

931.07

1,230.90

-299.83

Q2 2011

920.53

1,256.80

-336.27

Q3 2011

852.95

1,290.00

-437.05

Q4 2011

879.06

1,336.90

-457.84

Q1 2012

947.67

1,378.00

-430.33

Q2 2012

1,003.43

1,415.60

-412.18

Q3 2012

1,058.53

1,457.10

-398.57

Q4 2012

1,107.21

1,506.70

-399.49

Q1 2013

1,159.55

1,554.80

-395.25

Q2 2013

1,201.69

1,600.60

-398.91

Quelle: IWF

  1. Traumschau
    18. November 2013 um 20:25

    Jau! Danke für diesen Artikel. Ich habe jetzt eine Frage dazu:
    „Querschüsse“ veranschlagt den Verlust schon bei 700 Mrd. Andere Meldungen sprechen von 600 Mrd. Wie kommt die Differenz von 300 bzw. 200 Mrd. zu Stande? Oder habe ich das falsch verstanden?
    Quelle:
    http://www.querschuesse.de/deutschland-debatte/

    LG Traumschau

  1. 20. November 2013 um 10:18
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