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Nullzinsen sind schlecht – oder nicht…

25. November 2015

Nullzinsen setzen falsche Anreize, toben Ordnungshüter wie Jürgen Stark – um fast im selben Atemzug Länder wie Spanien, Irland und Portugal als leuchtende Vorbilder der Austerität zu feiern, die von eben diesen Nullzinsen profitiert, ihren finanzpolitischen Kurs seitdem gelockert und damit genau das gemacht haben, wovor sie Stark und andere immer gewarnt haben. Und die heute – na, sowas – besser dastehen. Also, was denn nun?

Es ist schon ein bisschen irre, was hierzulande die Hitliste der ökonomischen Spät-Weisheiten zur Euro-Krise bestimmt. Weisheit eins: die Niedrig- und Nullzinsen der Euro-Zentralbank sind die Pest, also, setzen völlig falsche Anreize, animieren dazu, sozusagen umsonst Kredite aufzunehmen – und verlängern damit die ganze miese Krise. So hat es kürzlich der ordnungspolitische Zentralbankflüchtling Jürgen Stark geklagt (der ja wegen dieser furchtbaren Politik bei der EZB zurückgetreten ist). Um im gleichen Auftritt zwanzig Minuten später zu lobpreisen, wie – aktueller Eurokrisen-Weisheits-Hit Nummer zwei – die Spanier, die Portugiesen und die Iren doch gerade zeigten, dass man mit Austerität wieder zu Wachstum gelangt und die Krise beendet.

Sagen wir es so. Es ist zumindest nicht ganz sicher, ob Herr Stark damit einen Preis für analytische Stringenz und bezwingende Logik bekommt. Geht ja schlecht beides zusammen. Also: entweder jene Niedrigzinsen, die Spanier, Portugiesen und Iren ja – wie alle anderen – von der EZB geschenkt bekommen haben, verleiten zu Schulden und führen damit erklärtermaßen zu neuem Kriseln. Dann dürften die drei Völker jetzt nach Religion der Starks und Schäubles aber gar kein Wachstum haben und keine Vorbilder sein; es wäre zumindest erklärungsbedürftig, warum sie trotz der völlig falschen Anreize erfolgreich sind. Oder sie sind gar nicht erfolgreich und taugen auch nicht als Erfolgsbeispiele. Dann fragt sich, warum die trotzdem Wachstum haben.

Die Wahrheit liegt wahrscheinlich etwas seitlich der Mitte. Die drei Länder haben in der Tat seit etwa 2013 aufgehört, wie irre neue Kürzungen und Steuererhöhungen zu beschließen, weil der unmittelbare Krisendruck über die Finanzmärkte nachgelassen hat. Die Strukturdefizite sind deutlich langsamer abgebaut worden, seit Mario Draghi, der EZB-Chef, seine Euro-Garantie im Sommer 2012 ausgesprochen hat und die Risikoprämien (also Zinsen) auf Staatsanleihen der Krisenländer deutlich gefallen sind. Da haben die Ordnungshüter in gewisser Weise Recht. Nur war das offenbar gar nicht so schlecht. Die Lockerung hat jedenfalls ganz offenbar nicht zu den prophezeiten Krisen geführt, vielmehr wächst die Wirtschaft in Spanien, Portugal und Irland tatsächlich wieder. Die logische Antwort müsste daher auch eher lauten: Ja, eben. Ist ja eigentlich auch nicht so verwunderlich. Es wirkt eben konjunkturell nach aller Empirie positiv, wenn der Staat den Menschen mehr Geld lässt. Und es müsste eher heißen: die Krisenländer wachsen wieder, weil die Zinsen so stark gesunken sind.

Man kann die Niedrigzinsen blöd finden, weil sie ordnungspolitisch falsche Anreize setzen. Dann darf man aber jene Länder nicht als Vorbild loben, die dank der niedrigen Zinsen ihre Rezession beenden konnten. Alles andere ist Religionslehre.

 

  1. Hannes66
    27. November 2015 um 12:15

    Vielen Dank Herr Fricke, es gibt doch noch Ökonomen mit eineschaltetem Verstand hier in Deutschland.

  1. 27. November 2015 um 18:28
  2. 27. November 2015 um 09:57
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