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Thomas Fricke: Überhitzte Märkte – Zauberformel gegen den Immobiliencrash

29. Oktober 2016

Die Regierung will eine gefährliche Immobilienblase verhindern – mit der schlauesten Idee seit dem großen Crash. Das könnte uns sogar vor dem Ende des Euro schützen.

Es gibt ja immer wieder Anlass, sich darüber zu wundern, was unsere Politiker gelegentlich so entscheiden – ach, Mautgebühren für Nichtdeutsche und so. Umso gewogener sollten wir sein, wenn einmal etwas richtig Gutes zu kommen scheint. Wie jetzt.

Was Referenten aus dem Bundesfinanzministerium diese Woche auf den Gesetzesweg gebracht haben, klingt zwar etwas sperrig* – irgendwas mit Darlehen für Immobilien – hat aber das Potenzial, zu einer der schlauesten Ideen zu werden, die es seit der Pleite von Lehman Brothers in Sachen Bankenkrisen in Deutschland gegeben hat. Und zu etwas, was uns den nächsten Crash erspart – und vielleicht sogar das Ende des Euros. Das wär doch was.

Mit dem Gesetz soll es künftig möglich sein, akute Exzesse am Immobilienmarkt zu stoppen – einen der ewigen Auslöser historischer Finanzcrashs. Dazu sollen bei irre laufender Verschuldung die Kreditkonditionen so weit verschärft werden, bis es keinen Exzess mehr gibt. Damit könnte erstmals der Kern des Problems getroffen – und nicht nur an Symptomen herumkuriert werden, etwa an den hohen Boni von bösen Bankern.

Das Ding ist ja: Wenn es eine Konstante in weit mehr als hundert Jahren Finanzcrashs gibt, dann weniger die, dass Leute der Deutschen Band tricksen. Das tiefere Dilemma liegt darin, dass an Finanz- und Immobilienmärkten immer wieder irre Euphoriewellen entstehen, denen nicht nur böse Banker, sondern auch Erna und Heinz anheimfallen, selbst der wunderbare Manfred Krug, der einst in so einer Welle für die T-Aktie warb. Und dass an Finanzmärkten dann kein Stoppmechanismus einsetzt.

Im Gegenteil: Wenn Immobilien boomen und die Preise steigen, steigen immer mehr Leute ein – auch die, die schon Immobilien haben und sich dank Preisboom immer reicher fühlen. Was die Preise weiter treibt. Die Banken vergeben währenddessen immer freizügiger Kredite für Immobilien, weil es ja so gut läuft und die Bilanz so schön aussieht – bis eines Tages die Blase platzt und die Spirale in die andere Richtung losgeht: nach unten. Krise.

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Genau das begann 2007 in den USA. Und so etwas geschah auf denselben Immobilien- oder anderen Finanzmärkten in so gut wie jeder großen Spekulationskrise der Geschichte – mit verheerenden Folgen für alle.

Ein Mittel selbst gegen Euro-Desaster?

Da hilft es wenig, Boni zu begrenzen. Das ändert ja nur sehr bedingt etwas am menschlichen Herdentrieb und an der Eigendynamik der Märkte. Dann könnte helfen, was einige Ökonomen seit Jahren fordern und in Ländern wie Großbritannien bereits gilt: Jener Mechanismus, bei dem bei drohenden Exzessen bewusst gebremst wird – damit es für Banken schwerer wird, noch mehr Kredit zu vergeben und Schulden zu fördern. Indem etwa für jede neue Hausfinanzierung dann eine höhere Eigenbeteiligung Pflicht wird. Oder die erlaubte Verschuldung nur noch in einem bestimmten Verhältnis zum Einkommen stehen darf. Damit es weniger Kredite und Immobilienboom und Preisexzesse gibt – und umso weniger Korrekturbedarf und Crash.

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Ob das funktioniert, hängt natürlich stark davon ab, wer in kritischen Zeiten nach welchen Kriterien darüber entscheidet, ob und wann die Bremsaktion einsetzen soll. Es hilft ja wenig, gegenzusteuern, wenn die Exzesse schon eine hohe Eigendynamik haben. Und auch davon, ob Notenbanker, die das qua Amtsweisheit machen könnten, geeignet sind, Krisen kommen zu sehen – was seit Alan Greenspan, dem US-Notenbankchef mit tiefem Glauben an die Finanzintelligenz, nicht mehr ganz sicher ist. Selbst unsere guten Bundesbanker haben den Crash 2008 ja nicht angekündigt. Da könnte es sich auszahlen, mehr oder weniger feste Limits für Kreditzuwächse zu definieren, deren Erreichen den Schutzmechanismus auslöst.

Wäre das sogar ein Mittel gegen ein drohendes Euro-Desaster? Möglich. Die Krise wurde ja auch nicht durch allgemeine Staatsverschuldung ausgelöst, die war in Spanien und Irland bis dahin eher niedrig. Das Drama dort steckte in besagten Immobilienblasen – mit der speziellen Euro-Tücke, dass die Notenbank bei gemeinsamer Währung nur einen Leitzins hat. Was wiederum für Spanier und Iren ein Problem war, da sie in der Blase gut höhere Zinsen hätten brauchen können. Und bald eins für die Deutschen werden könnte, weil bei niedrigen Zinsen der Immobilienboom noch angeheizt wird.

Eine Garantie gegen Krisen? Noch nicht

Auch hierzulande könnte es Wunder wirken, den Boom über nationale Mittel zu bremsen. Etwa ein Gesetz über die Verschärfung der Kreditvergabe bei drohender Überhitzung. Siehe oben. Was zu alledem treffgenau wirkt, wenn – wie derzeit bei uns – zwar die Immobilienmärkte boomen, ansonsten aber nicht viel investiert wird.

Wenn vernünftig definiert wird, was besagte Referenten diese Woche angestoßen haben, könnte dies nicht nur die Gefahr neuer Immobiliencrashs deutlich verringern, sondern auch die Eurozone um einiges krisenfester machen. Weit mehr als die x-te Verschärfung von Regeln für die jährliche Haushaltsführung, sagen wir, in Griechenland.

Eine Garantie gegen Krisen? Noch nicht. Zumal das Prinzip, in Boomzeiten zu bremsen, auch für andere Finanzmärkte gut wäre, und Banken per se noch viel stärker am Schuldenmachen gehindert werden müssten. Die Chancen stehen aber nicht schlecht, dass das nahende Werk besser als fast alles wird, was bisher gegen Finanzkrisen beschlossen wurde – in immerhin acht Jahren gelegentlich etwas heilloser Versuche. Da kann man auch einmal Lob aussprechen. Wirkt ja auch motivierend. Nicht, dass unsere Politiker noch die Freude an der Arbeit verlieren.


* Rufname: „Gesetz zur Ergänzung des Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts im Bereich der Darlehensvergabe zum Bau oder zum Erwerb von Wohnimmobilien zur Stärkung der Finanzstabilität“

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Die neue Kolumne „Die Rechnung, bitte!“ erscheint seit dem 15. April 2016 im wöchentlichen Rhythmus auf Spiegel Online (SPON).

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