Startseite > Gästeblock > Fabian Fritzsche: Stumpfe Waffen im Handelskrieg

Fabian Fritzsche: Stumpfe Waffen im Handelskrieg

2. August 2018

Der Handelsweltkrieg nimmt wie erwartet Fahrt auf und beinahe täglich werden neue Zölle von den USA, China, der EU, Kanada und weiteren Parteien angekündigt. Politik und Medien in Europa und offenbar auch anderswo haben damit letztlich die Trump‘sche Rhetorik und auch Handlungsweise blind übernommen. Die Erhebung bzw. Erhöhung eines Zolles auf europäische Waren, die in die USA eingeführt werden, wird von Trump als – berechtigter – Angriff gesehen und da wir Europäer oder auch China dies wiederum als ungerechtfertigten Angriff sehen, wird mit der gleichen Waffe zurückgeschossen.

Die Analogie zur Waffe ist allerdings problematisch. Wie bereits vergangenen Monat dargestellt, schadet eine Zollerhöhung natürlich den Exportunternehmen, weil vermutlich der Absatz sinken wird. Der Absatz aber sinkt, weil die US-Konsumenten höhere Preise bezahlen müssen; der Zoll wirkt letztlich wie eine Art Konsumsteuer auf Importgüter. Die vermeintliche Waffe gegen die andere Volkswirtschaft schadet also auch oder sogar mehr dem eigenen Wohlstand. Die implizite Annahme, dass Gegenmaßnahmen notwendig sind, um Trump in seinen Handlungen nicht zu bestärken, mag korrekt sein. Die unkritische Übernahme von Trumps Verhalten führt so – um in der Analogie zu bleiben – zu Schnellschüssen, die mehr schaden als nützen. Diese Diskussion, welche Maßnahmen überhaupt geeignet sind, um Trump zu einem Einlenken zu bewegen und welche „Kollateralschäden“ ggf. entstehen, ist in Politik und etablierten Medien bislang fast komplett unterblieben.

Wenn Zölle mit Zöllen beantwortet werden, dann wird liegt dem die Vermutung zugrunde, dass Trump selbst irgendwann Einsicht zeigt und merkt, dass die Handelspartner nicht auf seine Linie einlenken. Das ist nur schwer vorstellbar, zumal Trump dann nicht nur weitere Maßnahmen unterlassen, sondern seine bisherigen Maßnahmen zurücknehmen müsste. Oder aber die Gegenzölle erzeugen in einzelnen, für Trump wichtigen Bundesstaaten über sinkende Absatzzahlen solchen Druck, dass die dortigen Politiker wiederum Einfluss auf Trump nehmen. Darauf zielen teilweise die sehr speziellen Zölle der EU etwa auf Orangensaft (Florida), Motoräder (Wisconsin) oder Erdnussbutter (u.a. Alabama, Georgia) ab. Die betroffenen Staaten sind überwiegend Staaten, in denen 2018 Gouverneurs- und zum Teil auch Senatswahlen anstehen. Gilt das eigentlich als Wahlbeeinflussung? Aber auch über diesen Umweg müsste Trump letztlich einsichtig sein, was angesichts der täglichen Twitter-Tiraden unwahrscheinlich ist.

Die von der EU erhobenen Zölle sind also schädlich auch für die eigene Volkswirtschaft und vor allem wohlstandssenkend für die Verbraucher und wird voraussichtlich nicht einmal zur gewünschten Wirkung führen. Außerhalb von Internetforen und selbsternannten Alternativmedien wird lediglich vereinzelt über andere Druckmittel gegenüber den USA, die zu einem Einlenken führen könnten, diskutiert.

Als chinesischen Druckmittel wird dabei immer wieder der Verkauf der US-Staatsanleihen genannt. Der Verkauf eines recht großen Volumens an US-Staatsanleihen würde in diesen Szenarien zum einen zu einem Zinsanstieg und zum anderen zu einer Abwertung des US-Dollars führen. Und da die USA beides fürchten, würde demnach bereits die Drohung Chinas ausreichen, um die USA zum Einlenken zu bewegen. Spätestens hier wäre nun Skepsis angebracht: Der Handelskrieg läuft, es wurden auf beiden Seiten Zölle erhöht. Wieso hat China nicht gedroht und wieso wäre eine solche Drohung überhaupt nötig, wenn die USA von dieser „Superwaffe“ wissen? Tatsächlich ist China der größte ausländische Gläubiger der USA mit schätzungsweise[1] 1,18 Bio. US-Dollar Bestand an US-Staatsanleihen.

Ausländische Halter von US-Staatsanleihen (in Mrd. USD)

Quelle: US Treasury

 

Diese Zahl sieht auf den ersten Blick groß aus, doch tatsächlich sind das gerade einmal 5,6% der gesamten öffentlichen Schulden der USA und nur halb so viel wie alleine die US-Notenbank hält. Darüber hinaus beträgt das tägliche Handelsvolumen am Markt für US-Staatsanleihen 500 Mrd. US-Dollar. Vor diesem Hintergrund scheint selbst ein zügiger Abverkauf der chinesischen Bestände nicht sonderlich problematisch. Letztlich stellt sich sogar die Frage, ob ein Verkauf der Bestände durch China überhaupt Nachteile und nicht eher Vorteile für die USA bringen würde.

Mit über 1 Bio. USD ist der chinesische Bestand sicherlich nicht klein, in diesem Volumen hat China also in der Vergangenheit den US-Konsum finanziert. Der Bestand ist aber seit etwa 2010 relativ stabil. Über die vergangenen acht Jahre wurden also nur in dem Umfang neue Anleihen gekauft wie alte fällig wurden. Das heisst, seitdem hat China keinen zusätzlichen US-Konsum mehr finanziert und hat auch nicht zu niedrigen US-Zinsen beigetragen.

Von China gehaltene US-Staatsanleihen (in Mrd. USD)

Quelle: US Treasury

 

Sollte China nun Anleihen aktiv verkaufen, wäre zwar vorübergehend eine zusätzliche Nachfrage nach Anleihen nötig, was höhere Zinsen impliziert. Wie dramatisch der Zinsanstieg angesichts eines täglichen Handelsvolumens von 500 Mrd. US-Dollar wäre und ob die Notenbank dann nicht als Käufer auftreten würde, sei dahingestellt. Doch sobald die Bestände erst einmal abgebaut sind, ist die Situation ohnehin wieder die gleiche wie jetzt; China ist dann wieder netto weder Käufer noch Verkäufer. Selbst wenn es also durch Verkäufe Chinas einen relevanten Zinsanstieg gäbe, wäre der nur vorübergehend.

Bleibt eine potenzielle Abwertung des US-Dollars als vermeintliche Drohkulisse, wobei das Wort Drohkulisse schon schwierig ist, denn eine Abwertung käme der US-Wirtschaft gerade gelegen. Bereits seit vielen Jahren wird gegen China der Vorwurf erhoben, sie würden den Wechselkurs manipulieren, um so die Exporte zu stimulieren. Wenn China den USA im Rahmen des Handelskrieges schaden möchte, müssten sie eigentlich die eigene Währung abwerten – dafür wären aber massive Käufe und nicht Verkäufe von US-Anleihen nötig.

Auch diese vermeintliche Waffe im Handelskrieg entpuppt sich nicht nur als stumpf, sondern sogar als kontraproduktiv. Solange also Trump über Dekrete Zölle erhöhen kann, ist es also wenig sinnvoll, mit Gegenmaßnahmen – egal ob Gegenzölle in gleicher Höhe oder Anleiheverkäufen – den eigenen Wohlstand auf Spiel zu setzen. Es überwiegen zwar die Zweifel, ob die EU-Strafzölle auf einzelne, eher spezielle Produkte ein Umdenken erwirken.  Aber als symbolische Akte, die verdeutlichen, dass Europa die Trump’sche Handelspolitik nicht akzeptiert, die aber zugleich kaum Auswirkungen auf die europäischen Konsumenten haben, sind sie vermutlich das beste Mittel, solange Trump Präsident ist.

__________________________

[1] Ganz exakt kann der Bestand aus den Daten nicht abgeleitet werden, weil nur ermittelt wird, von wo gekauft wird. Kauft China also beispielsweise über den Finanzplatz London ist dies ein Kauf, der Großbritannien zugerechnet wird. So erklären sich auch die hohen Summen für die Schweiz sowie für Luxemburg, die Cayman Islands und andere Steuerparadiese: Nicht diese Staaten sind die Käufer, sondern Personen aus anderen Ländern, die dort Konten führen.

 

Schlagwörter: