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Prognostiker des Jahres 2021 – Vorhersagen von Coronas Gnaden

6. Januar 2022

Lieferkettenprobleme, schwächeres Wachstum, Inflation: Was so ein Virus macht, können Ökonomen schwer prophezeien. Kein Wunder, wenn kein Konjunkturexperte richtig gesehen hat, was 2021 kommen sollte.

Entsprechendes gilt in umgekehrter Richtung für die Inflation. Die allermeisten Prognostiker rechneten für 2021 mit weniger als zwei Prozent Teuerung – in Wirklichkeit dürften es im Jahresschnitt jetzt etwas mehr als drei Prozent gewesen sein. Was wiederum zu erklären hilft, warum die meisten Konjunkturexperten ursprünglich auch mit viel höheren realen Konsumausgaben der Menschen im Land gerechnet hatten. Nach Abzug der Inflation blieb vom Einkommensplus 2021 wenig übrig.
Nur sieben ahnten, dass die Wirtschaft bestenfalls um drei Prozent zulegen würde. Und: So richtig nah am Ergebnis lag dabei nur Christian Schulz, Chefvolkswirt von der Citigroup – und knapp darüber die Kollegen der BayernLB. Schulz ahnte auch, dass der Konsum deutlich weniger stark anziehen würde. Mit drei Prozent Plus beim Bruttoinlandsprodukt rechneten Bundesregierung und Bundesbank – auch nicht schlecht. Zumindest auf den ersten Blick.

Lieferkettenprobleme – auf einmal ganz groß

Was selbst diese Prognosen nicht so richtig glorreich wirken lässt, ist die (falsche) Begründung. Wenn die Wirtschaft deutlich weniger angezogen ist als veranschlagt, lag das zum einen an den neuen Coronawellen im Frühjahr und Herbst – wobei die an sich deutlich weniger wirt chaftlichen Schaden anrichteten als die ersten Coronaschocks und Lockdowns im Frühjahr 2020. Gravierender wirkten sich 2021 zwei Folgephänomene der globalen Pandemie aus: dass sich zum einen durch etliche Lockdowns und Nachholbedarfe enorme Engpässe in den globalen Lieferketten ergaben – zuletzt klagten mehr als 80 Prozent der Industrieunternehmen in Deutschland über Materialmangel. Zum anderen gingen auch und vor allem deshalb überall die Preise hoch – besonders drastisch im Laufe des Jahres die Kurse für Öl, Gas und andere Rohstoffe.
Hier liegt der eigentlich wichtigste Grund für sowohl das schwächere Wachstum als auch die viel höhere Inflation. Das ist zwar für die nächste Zeit in dem Sinne gut, weil beides vorübergehen wird. Nur haben selbst die Skeptiker weder das eine, noch das andere so geahnt. Weder erwarteten die Skeptiker, dass das Wachstum wegen möglicher Lieferengpässe niedriger ausfallen würde. Noch begründeten diejenigen, die eine höhere Inflation erwarteten, dass diese durch besagten Materialmangel und starkes Hochschnellen von Kursen an den Rohstoffmärkten kommen würde – selbst die Konjunkturexperten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft nicht, die mit 2,6 Prozent die höchste Teuerungsprognose von allen hatten.

Meist steckte hinter der Erwartung (etv.as) höherer Teuerung eher die Annahme, dass neben der Wiederanhebung der Mehrwertsteuer auch ein relativ starkes Wachstum und eine hohe Kapazitätsauslastung zu höheren Preisen führen würden. Nur war das ja gar nicht der Fall. Citigroup-Ökonom Schulz ging umgekehrt von billigen Rohstoffen an den Weltmärkten aus.
All das spricht nicht gegen die Kompetenz der Konjunktur-Prognostiker, die in den vergangenen Jahren regelmäßig ziemlich gut abschnitten, sondern eher dafür, dass so eine Pandemie mit ihren Wendungen und Mutationen virologisch offenbar ähnlich schwer vorherzusagen ist wie ihre globalen ökonomischen Folgen. Es gibt ja zum Glück auch nicht so viele Erfahrungswerte. Und es wäre schön, wenn wir davon in der kommenden Zeit auch nicht mehr so viele überraschende sammeln müssten – höchstens positive. 5

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Mitarbeit: Achim Fricke, David Kläffling