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Schwächelnde Exportgralshüter

17. Januar 2014

Es ist schon ein bisschen zum Fremdschämen, wie furchtbar entrüstet hierzulande auf jedwede Kritik an unseren historisch atemberaubend hohen Überschüssen im Außenhandel reagiert wird. Mit einem bizarren Selbstbewußtsein. Und dass niemandem auffällt, wie schwach die Argumente der Exportgralshüter wirken.

Wer alle drei Wochen schimpft, die Welt wolle nur unseren schönen Export kaputt machen, macht es sich nunmal zu einfach. Es geht um die Bilanz aus Export und Import. Und da gibt es eben ganz gute Gründe anzunehmen, dass diese Bilanz schon in unserem eigenen Interesse ausgeglichener sein sollte, am besten durch stärkere Importe – weil jeder Überschuss in der Leistungsbilanz (also Export, der nicht durch Importe finanziell ein Pendant findet) bedeutet, dass sich irgendwer auf der Welt gegenüber uns verschuldet, sprich: wir auf Pump verkaufen, und uns dann irgendwann wieder wundern, dass andere Länder Schuldenkrisen bekommen, deren Folgen wir wohl oder übel auffangen müssen. Siehe Euro-Krise. Wer jedes Jahr 200 Milliarden Euro mehr an andere verkauft, als andere durch unsere Käufe verdienen können, lässt jedes Jahr nicht nur eine Fünftel Billion Euro Schulden entstehen, sondern hat auch eben diese enorme Summe an Überschüssen (im wahrsten Sinne des Wortes) irgendwo anzulegen. Das geht auf Dauer schief. Da hilft auch kein Wehklagen, dass die anderen dann mal bitte mehr exportieren sollen. Wohin? Zu uns? Solange es bei uns nur mäßig steigende Einkommen und entsprechende Kaufkraft gibt, stößt das ja schnell an Grenzen.

Da nutzt es auch nicht, zum x-ten Mal zu krakelen, dass unsere Exporte doch frei am Markt entstehen. Das ist eine entweder recht naive oder ziemlich freche Sicht von diesseits des Tellerrands. Wer sich rühmt, dass Deutschland dank regierungsamtlicher Agenda 2010 als Export- und Industrienation heute so toll dasteht, kann nicht gleichzeitig behaupten, die Exportstärke habe sich einfach so am Markt ergeben. Da wurde schon nachgeholfen mit einer Wirtschaftspolitik, die lange fast nur ein Ziel hatte: die Wettbewerbsfähigkeit und Exportstärke zu fördern – und eben nicht die Binnennachfrage, im Gegenteil: viele Exportstärkungsmaßnahmen (Kostenkürzungen) hatten ja als logisches Pendant entsprechend geschwächte Einkommen im Inland. Da kommen am Ende dann halt sehr viel mehr Exporte als Importe heraus. Nicht am Markt, sondern weil man die Prioritäten de facto so einseitig gesetzt hat – und sich bis heute noch dafür feiern lässt.

Naja, bis halt die nächste Schuldenkrise kommt. Aber an der sind dann natürlich wieder die anderen Schuld. So etwas nennt man Lernresistenz.

Dieser Beitrag erschien in dieser Woche auf der Facebook-Seite des WirtschaftsWunders – hier.

  1. thewisemansfear
    20. Januar 2014 um 19:26

    Hallo Traumschau,
    wenn die Welt doch nur so einfach wär, wie durch die Brille eines (Vollblut-)Keynesianers betrachtet. Vom Prinzip her ist der Argumentation zuzustimmen, nur hat sie einen folgenschweren Haken: das mit dem realen Wachstumsmotor klappt nur so lange, wie die Welt als Ganzes nicht ausgewachsen/ausgereift ist. Rohstoffe und Energie sind nicht unbegrenzt zu haben, d.h. wenn „das Wachstum“ nicht vollends zum Selbstzweck verkommen und ins Virtuelle abdriften soll, ist es realistisch gesehen irgendwann vorbei. Link zum Thema.

    „“Shall we become hyper-Keynesians and push GDP growth to maintain full employment, even after growth has become uneconomic? Or shall we back off from growth and seek full employment by job sharing, distributive equity, and reallocation toward leisure and public goods?”“

    • Traumschau
      23. Januar 2014 um 16:53

      Hallo „wisemansf“,
      dass wir nachhaltiger wirtschaften müssen, etc. ist vollkommen klar. Wir müssen uns alle umstellen. Nur die Frage ist doch, unter welchen Bedingungen eine Umstrukturierung überhaupt möglich ist. Und in dieser jetzigen Lage ist das m.E. absolut unmöglich.
      Sie vergessen darüber hinaus, dass die Kapazitätsauslastung der Unternehmen gering ist, diese per Saldo – in Deutschland – sparen und ihre Kohle lieber im Kasino vermehren lassen, als in die Realwirtschaft zu investieren. Grund dafür ist m.E. ohne Zweifel der enorme Nachfrageschock, der durch die Lohnzurückhaltung in den Überschussländern und die absurde Austeritätspolitik in den Südstaaten hervorgerufen wurde. Wer sollte da jetzt noch investieren? Die Unternehmen wären bekloppt, wenn sie das täten. Und es gibt wahrlich genug Investitionsmöglichkeiten, wenn man sich z.B. die Infrastruktur in Deutschland ansieht und natürlich die durch diese absurde Politik zerschlagenen Binnenmärkte der Südschiene. Es gibt sehr viel zu tun! Wenn aber die Unternehmen nicht investieren, dann muss der Staat einspringen: Er muss die Unternehmen viel stärker besteuern und zudem die Ersparnisse aufnehmen und investieren.
      Nur „leider“ hat man diesen Weg verbaut! Die Schuldenbremse ist der größte Unsinn, der nur von „schwäbischen Hausfrauen“ verzapft werden konnte.
      Für uns bleibt als Schuldner nur das Ausland – das sind im übrigen unsere Exportüberschüsse, die mit unserer Ersparnis auf Pump gekauft werden. Dafür haben wir aber zum „Ausgleich“ einen riesigen Niedriglohnsektor aufgebaut. Gesamtwirtschaftlich gesehen schießen wir uns gewaltig ins eigene Knie!
      Diese Politik ist ein einziges Desaster!
      Die „Sättigungs-Theorie“ ist m.E. nicht haltbar: Haben Sie schon mal rekapituliert, wie schnell und tiefgreifend der Erkenntnisgewinn in den letzten 20 Jahren die Welt verändert hat? Das wir z.B. immer noch Autos mit Verbrennungsmotoren fahren ist m.E. ein absoluter Witz. Es ist aber auch klar, wer ein großes Interesse daran hat, dass möglichst alles so bleibt wie es ist!
      Auch das sehen wir am Beispiel der „Energiewende“, die offensichtlich gar nicht wirklich kommen soll! „Man“ weiß eben, wem man sich verpflichtet fühlt, gell?
      LG Traumschau

      • thewisemansfear
        29. Januar 2014 um 19:58

        Hallo Traumschau,
        habe die Seite für ein paar Tage aus den Augen verloren, aber danke für Ihre Antwort.
        Die skizzierten Zusammenhänge sind mir allesamt geläufig, NDS, Flassbeck, querschuesse, etc. sei Dank.
        Ihre Rechtfertigung was das nicht-Aufrechterhalten der Sättigungs-Theorie angeht ist etwas dünn 😉
        Ich stelle nicht in Abrede, dass die Mehrheit der Menschen ein Interesse an Investitionen ins Gemeinwohl hat und dort sehr viel „liegen geblieben“ ist, ABER nichts auf dieser Welt ist umsonst. Für alles muss Energie aufgewendet werden. Energie, die wir unter immer weiter ansteigendem Aufwand (auch Energiekosten) aus der Erde holen. Hier ein englischsprachiger Vortrag zum Thema. Am Thema Nachhaltigkeit kommt niemand von uns vorbei, nur sind die Zeiträume so groß, dass man es schwer hat, das zu überblicken. Technische Revolution in allen Ehren, aber außer einer immer weiteren Verkleinerung der Strukturbreiten in der HL-Industrie ist da in den letzten Jahrzehnten nicht viel wirklich Innovatives passiert. Auch diese (im Vortrag „economy of scale“ genannte) Entwicklung ist langsam ausgereizt.

  2. Traumschau
    19. Januar 2014 um 14:33

    Danke für diesen Beitrag, Herr Fricke!

    Zum Gesamtzusammenhang der VORSÄTZLICH ausgelösten Krisen empfehle ich die folgenden Beiträge auf dieser Seite:

    http://www.wolfgang-waldner.com/
    (Hochzinspolitik – Wirtschaftskrisen – Massenarbeitslosigkeit)

    bzw.:
    http://www.wolfgang-waldner.com/finanz-und-eurokrise/

    und:
    http://www.wolfgang-waldner.com/volkswirtschaftslehre/ („VWL-Schwindel“)

    Alle Krisen sind vorsätzlich gemacht und fallen keineswegs vom Himmel, wie uns immer erzählt wird! Die hervorragend recherchierten Beiträge sind mit Sicherheit ein Augenöffner für alle diejenigen, die wirklich an den tatsächlich Krisenmechanismen interessiert sind und die den „Lehren“ der Mainstream-Ökonomen keinen Glauben mehr schenken!
    LG Traumschau

  3. demz
    17. Januar 2014 um 17:37

    Lieber Herr Fricke,

    vielen Dank für den knackigen Beitrag, dem ich voll und ganz zustimme.

    Wie Sie sicher wissen, gibt es zur Thematik auch eine diametral entgegengesetzte Lesart, bspw. vertreten von Prof. Sinn: http://www.wiwo.de/politik/konjunktur/deutschland-sinn-kritik-an-exportueberschuessen-ist-finsterste-winkelakrobatik/9181174.html

    Darin interpretiert Sinn zum einen die Target-Salden als Kredite, was an anderer Stelle bereits vor einiger Zeit verneint wurde, z. B. hier: http://www.gfinm.de/images/stories/workingpaper29.pdf
    und zum anderen unterstellt Sinn mit dem Satz „Die Überschüsse der vergangenen Jahre sind im Wesentlichen nur das Spiegelbild der Rettungskredite, zu denen Deutschland in der Krise gedrängt wurde.“ auch eine Priorisierung der Kapitalbilanz, was ebenso von anderen Experten verneint wird, z. B. hier: http://www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/nachrichten/schuldenkrise-chefvolkswirt-der-citigroup-widerspricht-sinn-/4337440-2.html

    Falls Sie Zeit und Muße haben, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie an dieser Stelle evtl. noch etwas präziser (als ich oben) auf die Argumentation von Sinn eingehen könnten.

    Übrigens habe ich mit großem Interesse Ihr aktuelles Buch gelesen, was mir eine wertvolle Argumentationshilfe in der Diskussion war und ist.

    Viele Grüße
    demz

  4. Tim
    17. Januar 2014 um 13:28

    Man kann es nicht oft genug wiederholen:
    Die deutsche Konsumquote entspricht ziemlich genau dem europäischen Durchschnitt. Klagen über die angeblich zu geringe Binnennachfrage sind relativ weit weg von der Realität.

    Was zu niedrig ist, ist die deutsche Investitionsquote. Daß Unternehmen hierzulande seit 20 Jahren zu wenig und dafür viel im Ausland investieren, ist bekannt und verständlich.

    Wer den Leistungsbilanzüberschuß reduzieren möchte, sollte die Investitionsbedingungen verbessern.

    • popper
      21. Januar 2014 um 20:04

      Hallo Tim,
      dass die Konsumquote in Deutschland ziemlich genau den europäischen Durchschnitt entspricht, besagt soviel, wie die dass drei Hühner verteilt auf zehn Personen für jeden 1/3 Huhn ergeben. Realität ist, dass der Konsum von 0,9% mit einem Rückgang der Sparquote von 10,3% auf 10,0% einhergeht. Und das vor dem Hintergrund, dass Politiker zum Sparen auffordern, wegen Riester & Co. Dabei ist der inländische Konsum flach wie ein Brett und die Investitionen sinken.

      Insoweit versuchen Sie schön zu reden, was nicht schön ist. Und ihre Behauptung: „Wer den Leistungsbilanzüberschuß reduzieren möchte, sollte die Investitionsbedingungen verbessern“ ist natürlich die alte angebotsorientierte Leier, die den Leuten immer wieder einreden will, es fehle an Kapital. Die Unternehmen wurden in den letzten 15 Jahren bis zu einer Höhe von ca. 500 Mdr. entlastet. Investiert haben sie nicht, sondern ihre Gewinne an den Kapitalmarkt getragen. Was in Deutschland fehlt ist Nachfrage.

      Und ihre Feststellung: „Was zu niedrig ist, ist die deutsche Investitionsquote. Daß Unternehmen hierzulande seit 20 Jahren zu wenig und dafür viel im Ausland investieren, ist bekannt und verständlich“ zeigt, dass Sie den volkswirtschaftlichen Zusammenhang nicht verstehen und infolge dessen falsch interpretieren. die Investitionsquote ist immer nur so hoch wie die Sparquote und die ist in der Breite der Bevölkerung gesehen seit Jahren dramatisch gering. Und Leistungsbilanzüberschüsse entstehen, wenn ein Land mehr produziert, als es selbst verbraucht. Es muss dann nämlich seine Ersparnisse (nicht Investitionen) dem Sektor ausreichen, der sich verschulden soll. Und das war und ist das Ausland, weil in Deutschland ja alle so gerne sparen.

    • makro
      22. Januar 2014 um 21:52

      Investiert in großem Maße haben die Exportunternehmen. Binnenwirtschaftlich gab es dagegen überhaupt keinen Grund die Kapazitäten zu erhöhen, da die Nachfrage in realer Rechnung kaum stieg. Insoweit sind die Klagen über die zu geringe Binnennachfrage zutreffend. 1999 bis 2013 ist die inländische Verwendung real um schlappe 8% gestiegen, das sind knapp 0,5% pro Jahr. Das ist die Realität.

      Welche Theorie könnte uns tatsächlich sagen, wie viel Unternehmen investieren, wenn die Angebotsbedingungen gut, die Nachfragebedingungen aber schlecht sind. Zu glauben, die Unternehmen investierten auf Teufel komm raus, wenn sie nur auf hohen Gewinnen sitzen, weil die Steuern und die Löhne niedrig sind, hat sich selbst im Wunderland des Exports Deutschland als falsch erwiesen.

      Wer in einer „Währungsunion“ den Leistungsbilanzüberschuss reduzieren will darf einerseits keine Löhne zahlen die über oder unter der der Produktivität plus Inflationszielrate liegen. Letzteres hat Deutschland über Jahre unter dem Stichwort moderate Löhne getan und dadurch Leistungsbilanzungleichgewichte aufgebaut. Der Saldo der Leistungsbilanz entsteht keinesfalls aufgrund der Differenz aller Anlage- und Kreditentscheidungen, sondern durch die Differenz von gekauften Gütern zwischen dem In- und dem Ausland. Ein Volkswirtschaft, die mehr exportiert als importiert, hat lediglich in der Statistik einen Nettokapitalexport.

  1. 20. Januar 2014 um 10:12
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