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Fabian Fritzsche: Keine Rückkehr der Inflation

17. Oktober 2016

Nachdem die Inflationsraten in der Eurozone und Großbritannien über fast zwei Jahre lang um 0% schwankten, zog die Preissteigerung zuletzt wieder leicht an, blieb aber in beiden Währungsräumen noch deutlich unter 1%. In den USA stieg die Inflationsrate bereits Ende 2015 von rund 0% auf über 1%. Zum Teil die gleichen Personen, die zuvor kritisiert haben, dass die expansive Geldpolitik diesseits wie jenseits des Atlantiks nicht zur Erreichung des Inflationsziels führt, fürchten nun offenbar, dass das Ziel erreicht wird.

Doch vielleicht erst einmal zwei Schritte zurück. Zwischen März 2011 und Juli 2014 stagnierte der Ölpreis nahezu und die Energiepreisinflation war dadurch mit einem Jahr Verzögerung extrem niedrig. Ab Juli 2014 brach der Ölpreis dann jedoch um über 50% ein, was die Energiepreisinflation ab 2015 deutlich in den negativen Bereich drückte. Zum Teil lag die Energiepreisinflation in der Eurozone bei -9%. Da Energie in den Warenkorb der Inflationsberechnung mit etwa 10% eingeht, hat alleine dies die Inflation um bis zu 0,9 Prozentpunkte nach unten gedrückt. Zu der Zeit wurde allerdings argumentiert, die Inflation sei „eigentlich“ viel höher, nur die Ölpreise drücken die durchschnittliche Verbraucherpreisinflation, die Notenbanken dürften sich davon nicht blenden lassen. Nun wo sich dieser Effekt wieder umdreht, gilt diese Argumentation, dass nur der Ölpreis für die Veränderung verantwortlich sei, offenbar nicht mehr.

Tatsächlich gibt es bei der sog. Kernrate, d.h. die Inflation ohne Energie und Lebensmittel in der Eurozone keinerlei Aufwärtstendenz und in den USA bewegt sich die Kernrate innerhalb eines Bereichs, der seit Mitte/Ende der 1900er Jahre normal ist. Zudem ist die Kapazitätsauslastung in der Eurozone, Großbritannien und den USA im langfristigen Vergleich unterdurchschnittlich und das Lohnwachstum moderat (USA, Großbritannien) bis sehr gering (große Teile der Eurozone). Von Inflationsgefahr ist also weit und breit nichts zu sehen. Dennoch wird in erster Linie aufgrund der Ölpreisentwicklung und minimal steigender Inflationsraten das Inflationsgespenst herbeigeredet. Die dadurch angeblich drohende Gefahr seien zu früh/zu schnell steigende Leitzinsen, die dann ein schreckliches Chaos auslösen.

Spricht da wirklich die Angst vor einer plötzlich zu restriktiven Geldpolitik der Notenbanken, denen man doch zuvor vorgeworfen hatte, zu expansiv und vor allem zu wirkungslos zu sein? Das ergibt gleich doppelt keinen Sinn. Wer den Notenbanken bisher vorgeworfen hat, zu expansiv zu sein, müsste eigentlich zufrieden sein, wenn die Zinsen frühzeitig und schnell steigen. Und wer die (expansive) Geldpolitik für wirkungslos hält, sollte auch keine Angst vor extremen Auswirkungen leicht höherer Zinsen haben. Letztlich sind derartige Warnungen nur vordergründig Warnungen, letztlich verbirgt sich dahinter die Erwartung und Forderung, die Leitzinsen müssten bereits bei einem mehr als moderaten Anstieg der Inflation erhöht werden. Die Argumentation der geldpolitischen Falken ist immer die Gleiche: Ist die Inflation niedrig, sind Sondereffekte verantwortlich, die nicht berücksichtigt werden dürfen und ohnehin wird die Inflation sicher bald steigen, weshalb schon mal vorsorglich die Zinsen erhöht werden müssen. Und steigt die Inflation tatsächlich, egal von welchem Niveau aus und ob dafür Sondereffekte verantwortlich sind oder nicht, müssen die Zinsen ohnehin sofort und schnell erhöht werden. Demnach gibt es nie einen Grund für Zinssenkungen, aber immer viele Gründe für Zinserhöhungen. Dabei zeigt die historische Erfahrung, dass eine möglicherweise zu hohe Inflation sehr einfach von der Geldpolitik beendet werden kann, während zu schnelle oder zu frühzeitige Zinserhöhungen gravierende Auswirkungen haben können, die dann nicht einfach über erneute Zinssenkungen repariert werden können.

Angesichts der anhaltenden und mittlerweile fast weltweiten Wachstumsschwäche wären sowohl die Notenbanken als auch alle Ökonomen gut beraten, sich eher auf eine Welt dauerhaft niedriger Inflation und extrem niedriger Zinsen einzustellen anstatt unnötig beides herbeizureden.

  1. Isaac
    22. Oktober 2016 um 22:16

    Der Autor glaubt immer noch die Zentralbanken machten die Zinsen, dabei ist alleine der Markt dafür verantwortlich und der wird schon bald für steigende Zinsen sorgen, sobald man allgemein merkt, dass ein Grossteil der bestehenden Schulden Ramschcharakter haben.

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