Startseite > Gästeblock > David Milleker: EZB-Ausstieg: Erst das Kaufprogramm, dann die Zinsanpassung

David Milleker: EZB-Ausstieg: Erst das Kaufprogramm, dann die Zinsanpassung

4. April 2017

Die Konjunktur im Euro-Raum läuft aktuell ansprechend mit solidem Wachstum und rückläufiger Arbeitslosigkeit. Die Inflationsrate im Februar lag auch vorübergehend mal beim angestrebten Zielwert, wenn auch primär bedingt durch deutliche statistische Effekte aus dem Ölpreisanstieg.

Von daher macht es durchaus Sinn für die Europäische Zentralbank (EZB), sich näher mit der Art des Ausstiegs aus ihren unkonventionellen geldpolitischen Stützungsmaßnahmen zu beschäftigen. Erste Schritte sind hier die Nicht-Verlängerung des langfristigen Tenderprogramms und die Reduktion des Ankaufprogramms für Anleihen ab April 2017 gewesen. Inzwischen wird aus einigen Kreisen auch eine Anpassung des Zinskorridors noch vor Ende des Ankaufprogramms ins Spiel gebracht. Bislang galt die Parole, dass die Leitzinsen bis nach dessen Beendigung auf heutigem oder noch niedrigerem Niveau bleiben sollen.

Weder politisch noch ökonomisch ist es allerdings sinnvoll, wenn die EZB den Zinskorridor ändert, bevor das Anleihekaufprogramm endet. Beginnen wir mit dem Anleihekaufprogramm: Die Zentralbank hat sich hierfür selbst bestimmte Obergrenzen gesetzt, was sie maximal ankaufen darf: die sogenannten Issuer- (Emittenten von Staatsanleihen) und Issuance-Limits (je nach einzelner Anleihe). Sie argumentiert hier damit, dass sie jenseits dieser Grenzen ein so bedeutender Gläubiger würde, dass die Grenze zur monetären Staatsfinanzierung überschritten würde. Die EZB stößt schon heute in einigen Fällen – etwa Portugal und Irland – an diese Grenzen. Perspektivisch, konkret bis Mitte 2018, würde sie das wohl für alle Länder tun, wenn sie in unverändertem Umfang von 60 Mrd. Euro pro Monat weiter ankauft.

Konkret heißt das, dass die EZB vor der Wahl steht, entweder bereits in diesem Jahr weitere Rückführungen des Ankaufprogramms vorzunehmen – dann aber entsprechend länger kaufen könnte. Oder aber sie wäre Anfang 2018 gezwungen, eine recht zügige Anpassung auf Null vorzunehmen. Vor dem Hintergrund, dass niemand genau vorhersehen kann, wie die europäischen Zinsmärkte genau auf einen Ausstieg reagieren werden, wäre ein „sanfter Entzug“ vermutlich einer schnellen Rückführung deutlich vorzuziehen, allein um eine Wiederholung des Taper Tantrums durch den „Einstieg in den Ausstieg“ seitens der US-Notenbank 2013 zu vermeiden. Damals schossen die Renditen weltweit vorübergehend sehr stark nach oben.

Zudem basierte die geldpolitische Idee hinter dem Ankaufprogramm der EZB auf folgendem: Durch das Ankaufprogramm wird der Bankensektor mit Überschussliquidität geflutet, während gleichzeitig der negative Einlagenzins es besonders unattraktiv für die Geschäftsbanken macht, diese Liquidität bei der Zentralbank zu horten. Von der Anreizwirkung war dies wesentlich eleganter und durchdachter als etwa QE-Programme in anderen Ländern.

Es lässt sich somit trefflich argumentieren, dass die Notwendigkeit von Stützungsmaßnahmen seitens der EZB seit 2016 deutlich abgenommen hat. Vor dem Hintergrund der Beschränkungen im Ankaufprogramm ebenso wie durch das Zusammenwirken von selbigem mit den negativen Einlagezinsen, macht es jedoch deutlich mehr Sinn, mit einer weiteren Rückführung des Ankaufprogramms zu beginnen. Dabei halten wir es durchaus für plausibel, dass ein solcher Schritt bereits im weiteren Jahresverlauf 2017 erfolgt. Schlicht, um einerseits Erfahrung über die mögliche Zinsreaktion bei einer vollständigen Beendigung zu sammeln, und andererseits, um den Übergang schrittweise vollziehen zu können.