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Herr Schäuble und seine Gefühlsversteher

23. April 2015

Eins sollten wir nach dieser aufregenden Woche jetzt doch auch einmal festhalten: es ist schon etwas bewegend zu spüren, mit wie viel Empathie sich mancher Kollege in die schwierige Seelenlage von Wolfgang Schäuble versetzt. Nein, im Ernst. Da wurde uns schon vorab berichtet, dass sich unser Finanzminister auf der Jahrestagung des IWF auf „Vorhaltungen gefasst“ machen muss. Und dass sich die Regierung auf „erhebliche Diskussionen“ (Quelle: „ein deutscher Regierungsbeamter“) einstellt. Da erfahren wir nachrichtlich nüchtern, dass es einen „Angriff auf den Musterschüler“ geben werde, wie eine größere deutsche Wirtschaftszeitung feststellt.

Und da wird uns feinfühlig berichtet, dass „Schäuble und seine Leute an der Kritik verzweifeln“. Manchmal auch ganz schön „frustriert sind“ (vor allem, wenn es irgendwas mit Varoufakis zu tun hat). Während wir – als hätten wir Alzheimer – in jedem Bericht von neuem lernen, dass dieser Varoufakis (schon wieder) keine Krawatte trägt, sondern, Achtung, Spiegel Online, „sein rechter Kragen keck nach oben geknickt“ ist. Denn „bekanntlich will Varoufakis immer alles anders machen, allein schon durch sein Auftreten“. Wow!

Ich habe irgendwann vor langer Zeit einmal gelernt, dass es zur hohen Kunst unabhängig-anspruchsvollen Journalismus gehören sollte, Quellen nur in wirklich begründeten Fällen anonym zu zitieren – und nicht, wenn es um so etwas Banales und zugleich politisch gesteuertes geht (warum muss ein Regierungsbeamter anonym sagen, dass man sich auf „erhebliche Diskussionen“ einstellt?) Und dass es auch dazu gehört, die Gefühlsbekundungen von Leuten (vor allem Politikern und so) wenigstens mit Distanz zu beschreiben. Da „gibt sich jemand frustriert“. Oder da „zeigen sich“ Mitarbeiter vom Minister „verzweifelt“. Ob die das wirklich sind, wissen wir ja nicht.

Das ist bei manchem Thema nicht so wichtig, vielleicht. Aber wenn es wie jetzt darum geht, dass mit solchen Gefühlen ganz offenbar Politik und Druck gemacht wird, gepokert und gehandelt wird, dass zumindest der Gedanke nicht ganz fern liegt, dass solche Gemütsbekundungen von Schäuble und anderen bewusst den Eindruck wecken sollen, dass wir die Griechen locker fallen lassen werden, wenn sie sich nicht artig an die Reformen halten – dann ist Alarm angesagt – dann sollte man wenigstens ein bisschen Distanz aufbauen, so schwer es gegenüber einem so knuddeligen, erfolgreichen, mustergültigen, sachlichen, grundsoliden, einwandfrei argumentierenden und (vor allem) tadellos langweilig (äh, streichen!) gekleideten Minister wie dem unsrigen auch fallen mag. Sonst könnte es am Ende noch sein, dass irgendwer auf die Idee kommt zu denken, dass da mancher ganz schön instrumentalisiert worden ist. Vom Musterschüler.

Man könnte, ganz theoretisch, ja auch das Gleiche umgekehrt machen – schreiben, wie „unheimlich frustriert“ und „genervt“ Herr Varoufakis darüber ist, dass die Kollegen ganz offenbar wenig Bereitschaft haben einzurechnen, dass die griechische Regierung nunmal für gewisse Versprechen gewählt worden ist. Naja, wobei, dafür ist der politisch einfach nicht erfahren genug. Erst was versprechen – und nach der Wahl wenigstens versuchen, ein bisschen davon machen zu dürfen – wie naiv ist das denn? Hauptsache, hier hält sich jeder an die Regeln. Sonst sind wir aber sowas von genervt, ach frustriert!

Dieser Beitrag erschien am 20. April auf der Facebook-Seite des WirtschaftsWunders.

 

  1. 24. April 2015 um 14:18

    der schwäbische schlaumeier wolfgang schäuble (die schwarze null) denkt, dass die griechen „mensch ärgere dich nicht“ mit der eu spielen. sie spielen aber schach!

  1. 24. April 2015 um 08:51
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