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David Milleker: Die unsinnige Idee einer Parallelwährung

7. Mai 2015

Die Situation in Griechenland spitzt sich immer mehr zu. In jüngster Zeit zirkulieren hier (erneut) Ideen, dass eine Parallelwährung ein gangbarer Weg sein könnte. Wahlweise als gleitender Übergang aus dem Euro heraus oder als Stabilisierungsinstrument Griechenlands innerhalb des Euro-Raums.

Mit Blick auf die praktische Umsetzbarkeit wird dabei gerne auf Kalifornien im Jahr 2009 verwiesen. Konkret bezahlte Kalifornien vor dem Hintergrund einer Budgetkrise und einem nicht handlungsfähigen Parlament die Gehälter seiner öffentlichen Angestellten vorübergehend mit Schuldscheinen und billigte diesen Schuldscheinen den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels, insbesondere aber der Begleichung von Steuerschulden mit diesem Instrument zu.

Im Prinzip könnte man sich das natürlich auch für Griechenland vorstellen: Der klamme Staat verwendet Euro zur Bedienung seiner Schulden, bezahlt seine laufenden Ausgaben gegenüber den heimischen Bürgern aber mit frisch begebenen Schuldscheinen und lässt sich umgekehrt auch von diesen die Steuern in diesen Schuldscheinen bezahlen.

Es macht nur leider in der Praxis einen massiven Unterschied, ob es wie in Argentinien schon vorher eine heimische Währung gibt, die an ein anderes Vehikel gekoppelt wird, ob wie in Kalifornien die Existenz eines übergeordneten Währungsraums außer Frage steht oder ob wie in Griechenland eine Hartwährung (Euro) durch eine Weichwährung (Drachme) abgelöst werden könnte.

In Kalifornien stand auch im schlimmsten Fall außer Frage, dass die US-Notenbank die Geldversorgung weiter gewährleistet und die Zentralregierung die wichtigsten öffentlichen Aufgaben übernommen hätte.

Das ist ein ganz entscheidender Unterschied zu Griechenland, wo die EZB in kleinen Dosen entscheidet, ob und in welchem Umfang eine Notversorgung der Banken mit Zentralbankgeld weiter stattfindet oder eingestellt wird. In diesem Fall ist das individuell-rationale Verhalten bei Auftreten einer Parallelwährung:

1. Der schnellstmögliche Umtausch derselben in Euro.
2. Das Horten von Euro zur Wertaufbewahrung.
3. Das Sicherstellen, dass keine Zwangskonvertierung bestehender Vermögen in die Parallelwährung stattfinden kann.

Mit anderen Worten: Die Einführung einer Parallelwährung würde für sich genommen Bedingungen schaffen, die einen Bank-Run sehr wahrscheinlich werden lassen. Mithin genau das Gegenteil dessen, was eine „geordnete Übergangslösung“ ausmacht.

Blicken wir den Tatsachen ins Auge: Eine Parallelwährung kann durchaus die Konsequenz sein, wenn a) die EZB zum Schluss kommt, den griechischen Banken den Geldhahn zuzudrehen und b) die griechische Regierung sich nicht damit abfinden will, dann im Status einer vollständig „Euro-isierten“ Volkswirtschaft ohne Zentralbankzugang à la Montenegro zu sein. In einer „Montenegro-Lösung“ müsste die Volkswirtschaft mit der Restriktion leben, gegenüber dem „Währungswirt“ ständige Leistungsbilanzüberschüsse zu erwirtschaften. Solche Überschüsse wären deswegen zwingend, weil sie den einzig verlässlichen Weg darstellen, zusätzliche Euros für die heimische Wirtschaft zu erwirtschaften – der Weg über Geldschöpfung der Geschäftsbanken, ist ja durch einen nicht-vorhandenen EZB-Zugang verschlossen.

Eine Abkürzung, um bestehende Interessengegensätze zwischen Gläubigern und Schuldnern zu überwinden, wäre die Parallelwährung aber nicht. Ganz im Gegenteil: Sie wäre ein Brandbeschleuniger, der aus einem Schwelbrand einen Hausbrand macht.

  1. 8. Mai 2015 um 01:47

    Schuldscheine sind keine Währung sondern bestenfalls ein allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel.
    Eine echte Parallelwährung ist Wertmesser (nationale Steuerung des Geldwertes mit eigenem Inflationsziel unabhängig vom Euro und der EZB), Tauschmittel (Zahlungsmittel neben dem Euro) und Wertaufbewahrungsmittel (ohne den Ehrgeiz, dafür besser geeignet zu sein als der Euro). Die Folge: gleitende ständige Abwertung gegenüber dem Euro, Stabilisierung der Konsumentennachfrage und infolgedessen auch der Nachfrage nach Investitionsgütern, also der Gesamtnachfrage), doppelte Preisauszeichnung (Drachme und Euro).
    Bei einer Parallelwährung ist – wie bei einem Austritt aus dem Euroverbund – wieder nationale Geldpolitik als Konjunkturpolitik zur Förderung steigender Beschäftigung möglich. Dieser Vorteil ist nicht gering zu schätzen. Denn gute Konjunktur führt zu steigenden Staatseinnahmen und der Möglichkeit alte Staatsschulden zu tilgen. Die anderen Euroländer sollten eine griechische Parallelwährung (Drachme) daher stillschweigend tolerieren.
    Ein Schuldenschnitt wird trotzdem unvermeidlich sein, weil die Schuldenlast auch bei einem nachhaltigen Boom zu groß ist. Aber es besteht mit einer Parallelwährung die Chance, dass es der letzte Schuldenschnitt ist. Wenn er richtig bemessen ist, wird die verbleibende Schuldenlast durch die Gewährleistung einer stabilen Konjunktur nachhaltig tragbar sein.
    Eckhard Behrens, Heidelberg

  1. 8. Mai 2015 um 15:45
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