Was für eine Wendung. Als Isabella Weber zu Beginn der starken Inflation sinnierte , dass es in so ungewöhnlichen Zeiten sinnvoll werden kann, Preise zu kontrollieren, wetterte Nobelpreisträger Paul Krugman, was das für ein Blödsinn sei. Nicht viel weniger harsch fiel das Urteil handelsüblicher Gralshüter hierzulande aus, als die Wissenschaftlerin von der University of Massachusetts Amherst kurz darauf nachlegte. Da entwarf sie mit Sebastian Dullien vom Düsseldorfer IMK-Institut für Deutschland einen Gaspreisdeckel, der für den Grundbedarf einen Höchstpreis vorsieht, um den drohenden Schock für Mensch und Wirtschaft aufzufangen.
Kaum acht Monate ist das her. Jetzt hat die Bundesregierung beschlossen, so einen Deckel einzuführen . Inzwischen spricht selbst der stets zum Marktliberalen neigende Bundesfinanzminister von einem nötigen Eingriff – und befindet auch Paul Krugman solcherlei Preisgrenzen für gar nicht so mehr so unmöglich. Verrückt – oder nicht?
Klar sagt so eine Stimmungswende noch nicht, dass die Idee automatisch richtig ist. Das wird sich in der Praxis zeigen. Es spricht nur viel dafür. Schon weil die über Monate vorgetragenen Gegenargumente bei näherer Betrachtung alles andere als überzeugend wirken – eher irgendwie getragen von alt-reflexartiger Abneigung gegen staatliche Eingriffe in den Markt. Was wiederum ein bisschen an das Gezeter vor Einführung des Mindestlohns erinnert, das sich im Nachhinein als komplett deplatziert erwies – und manch früheren Ökonomiepapst alt aussehen ließ.
Glaubt man den gewöhnlichen Kritikern, soll das »feine Spiel« des Marktes zum besten Preis führen, über Angebot und Nachfrage, in diesem Fall von Gas. Bloß nicht eingreifen. Da gebe eine Begrenzung der Gaspreise nur falsche Anreize, dass Energie nicht mehr gespart werde. Da wäre es besser, heißt es, (nur) die Ärmsten mit Pauschalen zu entschädigen, statt alle Gasverbraucher, auch die betuchteren. Da wird bemängelt, warum jetzt nur die Gasbezieher entlastet werden sollten – nur weil sie zufällig Gas beziehen, statt andere Heizquellen. Und da ist ohnehin das Ganze nur ein Trug, weil ja die Kosten der Deckelung vom Staat übernommen werden müssen – und das ja früher oder später ohnehin auf uns zurückfalle. Basta.
So richtig überzeugend ist das alles nur nicht. Was gerade an den Gas- und Energiemärkten passiert, als feines Spiel zu bezeichnen, braucht schon Fantasie. Wenn die Kurse von Woche zu Woche derart hochschießen – und zwischendurch wieder runter – hat das mit dem sachten Ausgleich von Angebot und Nachfrage ja wenig zu tun, eher damit, dass Krieg ist und die Pandemie nachwirkt; und damit, dass Marktakteure panisch oder mit hohem Spekulationseifer auf Kriegs- und Putin-Wirren reagieren. Wozu das tiefere Problem an Energiemärkten kommt, dass es dort eben für Verbraucher nicht so einfach ist, den Verbrauch von Gas mal schnell zu senken oder zu ersetzen – wenn einmal so eine Gasanlage im Haus ist. Auch lässt sich das Angebot nicht auf Anhieb austauschen, wenn das an Pipelines hängt, die nicht so schnell umzunutzen sind.
Selbst in den großzügigsten Modellen bliebe Gas noch teurer als vor der Krise
Wenn Angebot und Nachfrage nicht so reagieren, wie es die Modelle vorsehen, kommt es halt zu extremen Ausschlägen bei den Preisen. Da hilft alles Beschwören nicht, wie gut das alles in Schönwetterzeiten funktioniert. Es ist halt Krieg. Und die Pandemie wirkt auf Lieferketten nach. In solchen Ausnahmesituationen, so Isabella Webers Argument schon zur Jahreswende, müsse man zur Abwendung von Schlimmeren vorübergehend auch mal über Preiskontrollen nachdenken.