Wie konnten gerade unsere Auguren sich so irren? Eine Antwort könnte sein, dass die Betreffenden in Bonn oder anderswo im Grunde zwar das Richtige gelernt haben – dass es normalerweise Inflation schafft, wenn eine Notenbank mehr Geld in Umlauf bringt, als man damit in der Wirtschaft kaufen kann. Nur dass die Zeiten eben nicht normal waren – und selbst heute noch nicht wieder richtig sind.
Die Wahrscheinlichkeit einer Deflation wäre gestiegen
Die Nachbeben des enormen systemischen Finanzcrashs, der vor ziemlich genau zehn Jahren im Juli 2007 begann, brachte viele Leute dazu, Geld abzuziehen, um Schulden zurückzuzahlen und Vermögensverluste auszugleichen. Andere sparten aus Vorsicht, statt groß zu investieren. Ohne Eingreifen wäre die Geldmenge höchstwahrscheinlich gesunken, was nach aller historischen Erfahrung eine Deflation und tiefe Krise mit sich gebracht hätte. Mit dem vermeintlichen Geldfluten haben die Notenbanken das nur auszugleichen versucht. Ergebnis: Die Geldmenge ist insgesamt sogar langsamer gestiegen, als sie es in Normalzeiten hätte tun müssen.
Nur so lässt sich erklären, warum per Saldo gar nicht so viel mehr Geld zum Ausgeben da war – und deshalb auch gar keine Inflation entstehen konnte. Und die Auguren hierzulande mit ihren Prognosen so danebenlagen. Nur so lässt sich auch erklären, warum es eher Inflation auf den Finanzmärkten gab – einen ziemlich irren Anstieg von Vermögenswerten wie etwa den Aktienkursen.
Hier liegt womöglich auch der eigentliche Anlass zur Kritik an Herrn Draghi: Hätte die EZB das Geld nicht über die Banken in Umlauf bringen lassen, sondern es den Leuten direkt gegeben, indem sie jedem zum Beispiel einen festen Betrag über den Finanzminister hätte überweisen lassen (Stichwort: Helikoptergeld), wäre die Wirtschaft im ganzen Euroraum auch schneller wieder gewachsen. Und die Notenbank hätte viel weniger Geld in Umlauf bringen müssen.
Eine Art Idiotentest für besonders gravierende Prognoseverstöße
Das alles wäre nicht ganz so schlimm, wenn man aus Fehlern lernen würde. Hier ist allerdings ein ganz kleiner Restverdacht, dass die Bereitschaft hierzulande noch, sagen wir, steigerungsfähig ist. Liest und hört man die bis heute unbekümmert großspurigen Kommentare über die angeblich so böse Europäische Notenbank und ihren Chef, könnte man fast meinen, die Fehlprognosen hätten gar nicht unsere Stabilitätsapostel gemacht, sondern Herr Draghi. Was es dann auch entsprechend schwer macht, zu verstehen, was Herr Draghi macht – und warum das alles in allem schon ganz gut war.
Vielleicht sollte man doch über die eine oder andere Diplomrückgabe noch einmal nachdenken. Oder eine Lernpflicht. Wer im Straßenverkehr mehrfach danebenliegt, muss ja auch zur Nachschulung. Damit das danach nicht wieder passiert.